Der Kreuzfahrer
Kogge mit Prinzessin Berengaria, Königin Joanna – und meiner geliebten Nur an Bord.
Am Morgen des dritten Tages fanden wir uns damit ab, dass auf Kreta keine weiteren Schiffe mehr zu uns stoßen würden. Also brachen wir nach Rhodos auf, das an einem bedeutenden Seeweg lag und daher gute Chancen auf Neuigkeiten bot. Meine Schuldgefühle fraßen mich beinahe auf: Ich hatte zwei Frauen geliebt, die nicht dem christlichen Glauben angehörten, eine Jüdin und eine Muslimin, und ich fragte mich, ob Gott sie mir beide genommen hatte, um mich dafür zu strafen, dass ich mit Ungläubigen verkehrt hatte. Wahrscheinlich litt ich an einer Art Seekoller: Ich hatte Ruth kaum gekannt, und sie als große Liebe zu bezeichnen, war eine Lüge. Doch meine Sorgen um Nur und die Schuldgefühle ihr gegenüber waren nur zu real. Ich rief mir jedes einzelne Mal, da wir uns geliebt hatten, ins Gedächtnis und quälte mich mit Erinnerungen. Warum war ich so dumm gewesen, sie als Dienerin zur Prinzessin zu schicken? Ich hätte sie ganz dicht bei mir behalten sollen, damit ich sie beschützen konnte, wie ich es ihr versprochen hatte. Natürlich wusste ich, dass das blanker Unfug war – wie hätte ich sie vor dem Zorn Gottes schützen können, der sich auf dem Meer austobte? Meinen Schmerz milderte dieses Wissen aber nicht.
Wir verbrachten zehn Tage auf Rhodos, weil wir auf Nachricht von den vermissten Schiffen hofften und weil der König plötzlich von einer rätselhaften Krankheit befallen wurde. Eine Woche lang war er ans Bett gebunden, übergab sich häufig und litt unter Schüttelfrost. Doch rückblickend kann ich mich an die Zeit auf Rhodos kaum erinnern, so sehr verzehrte ich mich vor Sorge um Nur.
Immerhin erfuhren wir interessante Neuigkeiten. Reuben hatte anscheinend Verbindung zu Freunden im Heiligen Land aufgenommen – wie er das bewerkstelligt hatte, wusste ich nicht. Offenbar stand König Philip schon vor den Mauern von Akkon, zusammen mit den deutschen und italienischen Kontingenten, die bereits seit mehreren Monaten vor Ort waren. Und er bereitete einen großen Angriff auf die uralte, gut befestigte Stadt vor. Es mutete wie ein grausamer Scherz an, dass die Armee christlicher Belagerer ihrerseits von Saladins Streitkräften belagert wurde. Wir hatten da also eine moslemische Garnison in der Festung Akkon, umzingelt von Christen, die wiederum von Moslems eingekreist waren. Das klang nicht eben aussichtsreich für unsere Kampfgefährten in Christus.
Endlich erhielten wir Nachricht von den Schiffen, und es stand nicht gut. Mehrere waren in dem Sturm gesunken und zahlreiche Männer dabei umgekommen, doch ein paar Schiffe waren vor dem schlimmsten Unwetter hergetrieben worden. Die Kogge der Prinzessin, das königliche Schiff, auf dem mein geliebter Schatz und die hohen Damen reisten, hatte es mit Mühe und Not nach Limassol auf Zypern geschafft. Das Herz hüpfte mir in der Brust, und mir schwindelte vor Erleichterung: Nur lebte!
Zypern war ein reiches Land, wie Sizilien mit üppigen Obstbäumen, Olivenhainen, Weinbergen und Getreidefeldern gesegnet. Doch es wurde von einem bösen Tyrannen regiert, einem Emporkömmling namens Isaak Komnenos. Dieser Spross des byzantinischen Herrscherhauses bezeichnete sich nun als Kaiser von Zypern, nachdem er die Insel einige Jahre zuvor mit Hilfe griechischer und armenischer Söldner erobert hatte. König Richard war erzürnt, weil der Kaiser einige unserer Männer gefangen genommen hatte, die nach dem Sturm dort gestrandet waren. Das königliche Schiff war Gott sei Dank nicht darunter – es lag in einer kleinen Bucht westlich von Limassol vor Anker. Unsere Leute waren, ihrem Status als heilige Pilger zum Trotz, von den Männern des Kaisers misshandelt worden, die auch das Großsiegel von England an sich gebracht hatten. Der Bewahrer des Großsiegels, Sir Roger Malchiel, einer von Richards engsten Vertrauten, war ertrunken, als sein Schiff auf den Felsen der zyprischen Küste zerschellt war.
Der Kaiser hatte die hohen Damen eingeladen, an Land zu kommen. Diese wussten jedoch, dass man ihre Pilgergefährten gefangen genommen hatte mit der Absicht, Lösegeld zu erpressen, und lehnten deshalb ab. Die königliche Kogge hatte zwei Geleitschiffe bei sich, besetzt mit Armbrustschützen und einer Handvoll Soldaten. Der Kaiser hatte versucht, die drei schwer beschädigten Schiffe zu entern, doch seine Männer hatten sich unter einem unablässigen Hagel von Armbrustbolzen zurückziehen
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