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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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machten, anzügliche Witze austauschten, mehr Wein bestellten und binnen einer Viertelstunde Busenfreunde wurden, dachte ich an meine schöne Freundin und Robins geliebte Frau Marie-Anne, die von Gerüchten in den Schmutz gezogene Countess of Locksley. Ich hatte ein gewaltiges Problem: Bernard hatte ich etwas anderes vorgespielt, aber ich wusste, dass diese schändlichen Gerüchte – Robins Sohn sei in Wahrheit Murdacs Kind – im Kern stimmten. Und diese Wahrheit konnte uns alle vernichten.

Kapitel 12
    J etzt, da ich selbst ein Kind gehabt habe, verstehe ich, weshalb Blut so wichtig ist. Als mein Sohn Rob starb, fühlte es sich buchstäblich so an, als sei auch ein Teil von mir dahingeschieden. Meine Frau und ich hatten ihn liebevoll und fürsorglich großgezogen und all unsere Hoffnungen und Träume in ihn gesetzt. Hätte ich ihn so sehr geliebt und ebenso sehr um ihn getrauert, wenn er der Sohn eines anderen Mannes gewesen wäre? Vielleicht. Aber ich hätte wohl nicht dieses machtvolle Gefühl gehabt, dass er auf irgendeine seltsame Weise
ich
war, und sein Tod auch mein Tod. Als ich damals, im Frühling des Jahres 1191 , begriff, dass Marie-Annes Kind Hugh nicht Robins Sohn war, galt mein erster Gedanke natürlich der Schmach, die Robin fühlen musste. Schlimm genug, dass Sir Ralph Murdac seine Frau beschlafen hatte – das allein wäre für viele Männer Anlass gewesen, ihre Frau zu verstoßen, selbst wenn es sich um eine Vergewaltigung handelte. Doch dass sie von einem anderen Mann geschwängert worden war, seinem Todfeind obendrein, war eine unvorstellbare Schmach.
    Ich hatte mehrere Anhaltspunkte dafür, dass Hugh in Wahrheit Murdacs Sohn sein musste – und dass Robin dies wusste. Erstens hatte ich die Spuren erzwungenen Geschlechtsverkehrs an Marie-Annes Kleid bemerkt, das zerrissen und blutbefleckt gewesen war, als Robin, Reuben und ich sie vor fast zwei Jahren aus Nottingham Castle gerettet hatten. Ralph Murdac hatte sie entführt, nachdem König Henry gestorben, Richard aber noch nicht nach England heimgekehrt war und seine Macht etabliert hatte. Zweifellos hatte Murdac gehofft, Marie-Anne als Pfand und Druckmittel gegen Robin zu benutzen.
    Zweitens hatte Robin, nachdem wir uns zu ihr durchgeschlagen hatten, sie in die Arme genommen und gefragt, ob ihr ein Leid geschehen sei – in Wahrheit hatte er wissen wollen, ob Murdac sie entehrt hatte. Ich erinnere mich gut an ihre Antwort, denn sie sagte nicht »Ich bin unverletzt« oder »Er hat mir nichts getan«, sondern nur: »Jetzt, da du hier bist, ist alles gut.« Wenn Murdac sie wirklich nicht angerührt hätte, so hätte sie das sicher gesagt. Der dritte Anhaltspunkt für Murdacs Vaterschaft war das Aussehen des kleinen Hugh: schwarzes Haar und hellblaue Augen. Goody hatte mir zwar erklärt, dass viele Babys sich bald nach der Geburt äußerlich sehr verändern, doch es konnte kaum ein Zufall sein, dass das Baby von allen Menschen auf der Welt ausgerechnet Sir Ralph Murdac so ähnlich sehen sollte. Und außerdem sagen die Hebammen, dass ein Kind unmittelbar nach der Geburt dem Vater ähnlich sieht und später mehr von der Mutter bekommt. Und viertens war da der eigentlich unerklärliche Zwist zwischen Robin und Marie-Anne in der Zeit nach der Geburt. Robin wusste, dass das Kind nicht von ihm war, und es war meine heilige Pflicht, dieses Gerücht zu ersticken. Mein Herr durfte niemals erfahren, dass ich sein schändliches Geheimnis kannte.
    Bernards loses Mundwerk war die eine Sache – und Robin würde ihm, ohne zu zögern, den Kopf abreißen, wenn er herausfände, dass mein Freund diesen Klatsch verbreitete. Eine andere Sache waren Murdacs Leute, die zweifellos dafür sorgten, dass sich das Gerücht in England herumsprach. Es bestand die Gefahr, dass Robin heimkehren und feststellen würde, dass er zum Gespött geworden war. Die Leute würden ihn als gehörnten Gatten betrachten, obwohl Marie-Anne gegen ihren Willen von einem Ungeheuer geschändet worden war. Das jedoch würde Robin niemals eingestehen – unter keinen Umständen würde er zugeben, dass er die Frau, die er liebte, nicht hatte schützen können. Und wie würde diese traurige Angelegenheit sich auf ihre Ehe auswirken? Falls Hughs wahre Abstammung tatsächlich allgemein bekannt wurde, würde Robin Hugh enterben, ihn gar verstoßen? Und was würde Marie-Anne empfinden, wenn alle Welt wusste, dass ihr Kind ein Bastard war, das Resultat einer Vergewaltigung, ein unehelich gezeugter

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