Der Kreuzfahrer
mir abgewandt hatte, um in ein Beiboot zu steigen, trat er direkt an mich heran. »Erzähl doch mal, Alan, was tust du so gern mit den Gürteln und dem Honig?«, fragte er leise in vertraulichem Tonfall.
Ich errötete bis unter die Haarwurzeln. »Ach, nichts«, nuschelte ich. »Ich weiß gar nicht, was sie damit gemeint hat.« Meine Wangen brannten, und ich konnte ihm nicht in die Augen sehen. »Sie kann kaum Französisch – oft weiß sie selbst nicht, was sie gerade sagt.« Ich bemühte mich um ein nonchalantes Schulterzucken.
»Tatsächlich?«, entgegnete Little John. »Nun, dann frage ich sie am besten selbst.« Und ehe ich ihn davon abhalten konnte, hielt er sich die Hände wie einen umgekehrten Trichter an den Mund und brüllte übers Wasser zu dem Beiboot hinüber. »Nur, meine Liebe«, donnerte er in einer Lautstärke, dass man ihn noch drüben in Italien gehört haben muss. »Sag mal: Was tut der junge Alan so gern im Bett mit dem Honig und den Gürteln …?« Ein halbes Dutzend Leute drehten sich um und starrten uns an, und ich warf mich schnell wie ein Windhund zu ihm herum und rammte ihm die Faust in den Bauch.
Im Nachhinein glaube ich, dass John sich nach meinem Schlag in die Magengrube eher vor hilflosem Lachen krümmte denn unter der Wucht meines Fausthiebs. Doch ich prügelte weiter auf ihn ein und landete ein paar respektable Treffer in seinem Gesicht und am Oberkörper, bis er es schaffte, endlich mit dem Lachen aufzuhören – zumindest lange genug, um mich im Nacken und am Schwertgürtel zu packen, mich strampelnd und zappelnd hochzuheben und schwungvoll in die schmutzige Brühe im Hafenbecken zu befördern.
Das Segel der
Santa Maria
flatterte und blähte sich langsam im Wind, und auf die scharfen Pfiffe des Schiffsführers hin holte die Mannschaft ein kompliziertes Geflecht von Tauen ein. Mir wurde bewusst, wie froh ich war, Sizilien wieder zu verlassen. Ich hatte dort Liebe und Glück gefunden, das ist wohl wahr, doch die Atmosphäre unterschwelliger, mürrischer Feindseligkeit seitens der Griffonen hatte mich nervös gemacht – ich war niemals unbewaffnet irgendwohin gegangen. Und es war ein scheußliches Gefühl, dass wir auf Sizilien Zeit vergeudeten, während in Outremer andere Christen für unsere Sache starben. Dazu kam noch die Bedrohung durch den geheimnisvollen Attentäter – ich hatte nach wie vor keine Ahnung, wer es sein könnte, doch ich hoffte, dass wir ihn, oder sie, mit unserer Abreise aus Sizilien zurückließen. Ich war voller Zuversicht, jetzt, da wir wieder zu dem großen Abenteuer aufbrachen, von dem ich lange geträumt hatte. Gott würde Robin schützen, dessen war ich gewiss, denn nun erfüllten wir wieder seine heilige Mission. Endlich waren wir auf dem Weg ins Heilige Land, und mit Gottes Hilfe und Führung würden wir den Sarazenen bald mit der ganzen Macht von Richards riesiger Armee zu Leibe rücken. Die Heilige Stadt Jerusalem konnte schon in wenigen Monaten wieder frei und in guten Christenhänden sein …
Es war der Abend unseres dritten Tages auf See – die Sonne stand tief hinter uns und warf einen langen, segelförmigen Schatten auf das düstere Wasser –, als plötzlich ein gewaltiges Unwetter von Süden heraufzog. Die See wurde schwerer, das Schiff stampfte und buckelte wie ein wildes Pferd auf den Wellen, der Wind frischte auf, rüttelte an der Takelage und spannte bald das alte Segel fast zum Zerreißen. Mächtige, schwärzlich violette Wolken wälzten sich vor den grauen Himmel, und mit ihnen kam ein heftiger Regenschauer. Wie eisige Peitschen klatschten die dichten Tropfen auf die Wasseroberfläche.
Ich kauerte unter einem gewachsten Segeltuch am Bug der
Santa Maria,
und die Welt schrumpfte um mich zusammen. Es war, als stünde ich unter einem Wasserfall. Der Regen trommelte wild auf das Tuch, und das Schiff rollte und stampfte unter mir. Es schien mir, als hätte Gott seinen Zorn in einer Naturkatastrophe entfesselt, die es mit der Sintflut aufnehmen konnte. Wenn ich unter dem nassen Segeltuch hervorspähte, konnte ich kaum das nächste Schiff erkennen, kaum fünfzig Schritt neben uns. Die Bogenschützen auf dem Oberdeck schöpften mit ihren Helmen Wasser, doch das zeigte kaum Wirkung: Für jeden Helm voll, den die Männer über Bord kippten, brach die zehnfache Menge und mehr über die Reling herein. Die Wogen droschen mit erschreckender Wucht auf unser zerbrechliches Schiff ein. Bald waren wir ganz allein in diesem tosenden
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