Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
Vom Netzwerk:
dreihundert Mann eine ganze Insel an. Und die war gut befestigt.
    Der Kaiser war in den vergangenen Tagen nicht untätig gewesen. Am Strand von Limassol hatte er eine gewaltige Barriere errichten lassen, um uns die Landung unmöglich zu machen. Offenbar bestand sie aus allem, was gerade zur Hand gewesen war: Felsbrocken, Schafhürden, löchrigen Bootsrümpfen, alten Planken und abgestorbenen Bäumen. Außerdem sah ich riesige Krüge, in denen man für gewöhnlich Olivenöl lagerte, und jedes Stück Holz aus dem ganzen Ort: Tische, Stühle, Schemel, Türen, ja sogar ein Kirchenaltar waren in einer langen Linie am Strand aufgestapelt und bildeten ein überraschend wirksames und kriegstaugliches Hindernis für uns. Hinter dieser beeindruckenden Barriere standen fast zweitausend Männer: griechische Ritter mit glänzend polierten Rundhelmen, dunkelhäutige armenische Söldner, die Bewohner von Limassol, bewaffnet mit Piken und Armbrüsten, zypriotische Bauern, die von ihren Feldern eingezogen worden waren und nicht mehr in Händen hielten als provisorische Spieße und die rostigen Schwerter ihrer Großväter. Sie waren in jeder Hinsicht im Vorteil, dank der Barrikade, ihrer Überzahl und der Tatsache, dass sie ihre Heimat verteidigten. Wir hingegen griffen vom Wasser aus an, mit einer Handvoll Männer, erschöpft von der Seereise, weit fort von zu Hause und in schwerer, von der Gischt getränkter Kleidung. Doch ich erhaschte einen Blick auf König Richards erwartungsvolles Gesicht, der im ersten Boot kauerte, als sei er schon im Begriff, auf den Strand zu springen, und da wusste ich tief im Herzen, dass wir siegen würden.
    Hundert Meter vor dem Strand drehte Robin sich zu den Booten hinter uns um, brüllte einen Befehl, und die Pfeile flogen. Die walisischen Bogenschützen spannten ihre mächtigen Eibenholzbögen, zielten in die Höhe und lösten die Sehnen mit einem Geräusch wie von reißendem Tuch. Eine Wolke aus Schäften stieg hoch in den blauen Himmel und kam dann wie der Zorn des Allmächtigen auf die Barrikade herab. Die erste Salve prasselte als dichter grauer Schleier auf die Verteidiger ein wie tödlicher Hagel. Die Stahlspitzen der einen Schritt langen Pfeile durchschlugen die Rüstungen der Ritter ebenso leicht wie die einfachen Kittel der Bauern, fuhren tief in Brust, Schulter oder Rücken und verursachten grausige Verletzungen. Die Männer hinter der Barriere duckten sich unter dem Pfeilhagel. Wer einen Schild besaß, hielt ihn sich über den Kopf, wer keinen hatte, war dem Unheil schutzlos ausgeliefert. Die Verwundeten taumelten von der Barrikade zurück, heftig blutend, manchmal gleich aus mehreren Schusswunden. Die Toten wurden unter schweren Stiefeln zertrampelt, als die breite Reihe der Männer unter dem ersten Pfeilhagel wogte und schwankte. Und dann kam die zweite Salve, unsere Pfeile klapperten zwischen Tischbeinen, durchbohrten unvorsichtig gehobene Köpfe, durchschlugen sogar einfachere Helme und fällten Dutzende von Männern an der breiten Barrikade. Die dritte Salve prasselte auf sie herab, und eine vierte. Die jämmerlichen Schreie der verwundeten Griechen schollen herzerweichend deutlich durch die stille, salzige Luft. Und zugleich hörte ich Little John, der seine gewaltige Streitaxt in Händen hielt und leise vor sich hin summte, ein hoher, klagender Laut, der mir einen Schauer über den Rücken jagte.
    Die Pfeile verrichteten weiterhin ihre grausige Arbeit, die feindliche Linie auszudünnen. Unsere Waliser in den Booten hinter uns schossen nun, wie es ihnen gefiel, sie gaben keine Salven mehr ab, sondern ließen den Tod wie aus einer lockeren, aber dennoch nie versiegenden Wolke herabregnen. Die Armbrustschützen aus Aquitanien waren jetzt auf Schussweite heran und mehrten das Blutvergießen mit ihren Bolzen. Aus vielen Wunden blutende Leichen lagen kreuz und quer über der Barriere, und an den hinteren Enden der Linie sah ich die ersten Bauern flüchten. Sie machten sich davon, rannten den Strand hinauf und verschwanden in den Feldern – nur fort von diesem unablässigen tödlichen Beschuss, so laut ihre Kommandanten ihnen auch nachbrüllen mochten. Doch die Mitte der Linie – der harte Kern gut gerüsteter griechischer Ritter um den Kaiser und sein goldenes Banner – hielt stand wie ein eiserner Riegel.
    König Richards Boot schob sich als Erstes knirschend auf den leicht ansteigenden Strand und blieb im Sand stecken. Mit dem lauten Ruf »Für Gott und die Heilige Jungfrau!«

Weitere Kostenlose Bücher