Der Kreuzfahrer
anfangen … Ich habe nicht deine feige Gabe, mich vor meinen Feinden hinter einem Stück Holz zu verstecken.«
Er lachte. »Tja, dem lässt sich leicht abhelfen. Wenn du wieder auf den Beinen bist, werde ich es dir beibringen. Irgendjemand muss es ja tun. Sieht ganz so aus, als würden wir noch ein paar Wochen hierbleiben, so dass du jede Menge Zeit hast, wieder zu Kräften zu kommen. Aber eines schwöre ich bei Jesu heiligen Gebeinen, Alan: Wenn du je wieder ohne Schild in einen Kampf ziehst, dann werde ich dich verdammt noch mal selbst erschießen!« Damit drehte er sich um und stampfte aus dem Schlafsaal.
Am nächsten Tag, nachdem Nur mir ein wenig Haferschleim gefüttert und mich von Kopf bis Fuß gewaschen hatte, kam Robin mich besuchen. Er hielt ein wenig verlegen eine große Rebe Weintrauben in der Hand und schien nicht recht zu wissen, was er sagen oder mit dem Obst tun sollte. Schließlich legte er die Trauben auf den schmalen Tisch neben meinem Kopf, setzte sich auf die Bettkante und sagte: »Reuben meint, du solltest unreife Früchte essen. Anscheinend helfen sie, den Körper von schlechten Säften zu befreien. Unreifes Obst verringert die Menge an Galle – oder war es Schleim? – jedenfalls irgendetwas Schlechtes.«
Ich dankte ihm für sein Geschenk. Wieder gab es eine kurze, unbehagliche Pause. Ich bemerkte, dass er müde wirkte.
»Nun, du siehst gesünder aus«, sagte er nach einer kleinen Weile, »schon beinahe wieder menschlich.« Sein Lächeln ließ die Sorgenfalten in seinem Gesicht verschwinden. Ich sagte ihm, dass ich mich zwar besser, aber noch fürchterlich schwach fühlte. »Reuben war sicher, dass du sterben würdest«, erzählte er mir, »und ich war sehr besorgt – wie mühselig, wenn ich mir einen neuen Trouvère hätte suchen müssen.« Als er mich erneut anlächelte, blitzte in seinen silbergrauen Augen ein Funken des alten Übermutes. »Dein Handgelenk zu richten sei der leichteste Teil gewesen, sagt er«, fuhr Robin fort. Pflichtschuldig bog ich das rechte Handgelenk. Es war zwar steif und dünn, aber beweglich, und eine frische violette Narbe zierte meinen Unterarm. »Der alte Jude war überzeugt davon, dass der Armbrustbolzen in deinem Bauch dich umbringen werde, und wenn nicht, dann würde dir das Fieber den Rest geben. Ich habe Reuben ja gesagt, dass du aus hartem Holz geschnitzt bist und ein einzelner lumpiger, griffonischer Armbrustschütze dich nie ins Grab bringen könnte, aber …« Er verstummte.
»Es war kein Griffone«, erwiderte ich leise. »Das war Sir Richard Malbête.« Robin starrte mich einige Herzschläge lang an. Seine leuchtenden Augen forschten in meinen nach der Wahrheit.
»Nun, das ist interessant«, sagte er schließlich. »Sir Richard ist dieser Tage ganz unser
preux chevalier.
Seit er auf Zypern die kaiserliche Standarte erbeutet hat, ist er in den Augen des Königs zum goldenen Ritter aufgestiegen. Er ist ohne Fehl und Tadel. Also, was hat sich da tatsächlich abgespielt?«
Ich berichtete es ihm, und er riss überrascht den Mund auf. »Wenn es je irgendwer verdient hat, ermordet zu werden, dann dieser fuchsgesichtige Dreckskerl«, knurrte er, als ich meine Erzählung beendet hatte. »Aber wir haben ein kleines Problem, Alan – niemand wird dir glauben, wenn du behauptest, dass Sir Richard, das leuchtende Beispiel der Ritterlichkeit, dich ermorden wollte. Du behältst das besser für dich, während wir uns überlegen, wie wir den Bastard erledigen können. Versuch ja nicht, ihn dir allein vorzunehmen, wir machen das zusammen. Aber leicht wird das nicht. Er verbringt jetzt viel Zeit mit dem König, der ihn in sein persönliches Gefolge aufgenommen hat …«
Zu diesem Schluss war ich auch gekommen. Schwierig hin oder her, ich war fest entschlossen, Malbête auf die eine oder andere Weise zu töten – und sei es allein um meiner persönlichen Sicherheit willen. Aber es gab reichlich weitere gute Gründe dafür, die Bestie zur Strecke zu bringen: Rache für Ruth, für die Juden von York, für Nur und die abgeschlachteten Sklavenmädchen in Messina …
Eine Weile saßen wir schweigend beisammen. Ich aß eine Traube. Sie war köstlich, kühl, prall und süß wie Honig.
»Robin«, begann ich ein wenig zögerlich, »würdet Ihr mir sagen, was passiert ist? Wie sind wir hierhergekommen? Wie haben wir Akkon genommen? Ich weiß nicht einmal, welcher Monat jetzt ist.«
Er starrte mich an. »Ja, natürlich. Hat dir das niemand gesagt? Nun, es
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