Der Kreuzfahrer
zustimmend.
»Aber ich weiß, wer es gewesen sein könnte«, fuhr ich fort.
Er sah mich überrascht an, schwieg aber noch einen Moment. »Nun sag schon«, drängte er dann ein wenig gereizt, »wer ist es?«
»Ich bin mir nicht sicher, und ich möchte Euch keinen Namen nennen, für den Fall, dass ich mich doch irren sollte«, erwiderte ich. »Das könnte endlosen Ärger und böses Blut geben.« Tatsächlich fürchtete ich, Robin könnte denjenigen, den ich im Verdacht hatte, vorsorglich ermorden. Und ich war nicht völlig von seiner Schuld überzeugt. Ich wollte nicht noch ein unschuldiges Leben auf dem Gewissen haben.
»Lasst mich ein paar Erkundigungen einholen«, schlug ich vor, »und wenn ich mir meiner Sache sicher bin, werde ich Euch seinen Namen nennen.«
»Also schön«, antwortete Robin, allzu sehr um einen unbeschwerten Tonfall bemüht. »Dann behalte es eben für dich. Aber wenn ich ermordet werde, weil du es mir nicht gesagt hast, wird dich mein Geist bis an dein Lebensende verfolgen!« Dann lächelte er mich an, und Zuneigung wallte in mir auf. Damals hingen gleich mehrere Damoklesschwerter über seinem Kopf: ein Mörder hinter der Maske eines Freundes, gewaltige Schulden hier und zu Hause, eine Ehefrau, die ihn in aller Augen lächerlich erscheinen ließ, und ein königlicher Lehnsherr, der ihn aufgrund verleumderischer Lügen aus seinem engeren Kreis verbannt hatte. Ich hätte ihn gern getröstet, aber ich fand nicht die richtigen Worte. Er blickte einen Moment lang auf seine verschränkten Hände hinab. »Weißt du, mein Freund«, sagte er dann. »Manchmal wünschte ich, ich wäre kein Graf oder Befehlshaber einer Armee oder ein Pilger auf heiliger Mission. Manchmal wünsche ich mir, wieder ein einfacher Gesetzloser zu sein. Wenn jemand mich verleumdete, habe ich ihn getötet. Wenn ich etwas wollte, habe ich es mir genommen. Alles war irgendwie einfacher … und besser.« Mit diesen Worten verließ er mich.
Zwei Tage später war ich stark genug, um aufzustehen und mich eine Stunde im gepflasterten Innenhof des Ordensquartiers in die Sonne zu setzen. Außer Nur, die jeden Tag stundenlang bei mir war, hatte ich vorher jedoch noch weitere Besucher an meinem Krankenbett. Mein treuer Diener William brach wahrhaftig in Freudentränen aus, als er sah, dass ich aufrecht saß und auf dem Weg der Besserung war. Reuben ließ mich in einen Becher pinkeln, schnupperte dann an meinem Urin und kostete ihn sogar, um herauszufinden, was ich ihm auch selbst hätte sagen können: nämlich, dass es mir besserging. Und Will Scarlet besuchte mich.
Mein Freund aus jüngeren Tagen sah gesund und kräftig aus – und glücklich. Der Grund dafür stand neben ihm, in einem unförmigen grünen Kleid, die weißen Locken so flauschig wie das Fell eines Lamms. Es war Elise, die seltsame Normannin, die behauptete, in die Zukunft sehen zu können. Die beiden hatten gerade geheiratet.
Sie war über fünfzehn Jahre älter als er und einen halben Fuß größer, und doch war nicht zu übersehen, dass sie gut zueinander passten und sehr verliebt waren. Sie umsorgte ihn wie eine übereifrige Glucke, das ist wohl wahr. Doch ich gewann den Eindruck, dass sie seiner Seele eine verborgene Kraft entlockt hatte. Seine Augen waren klar, und er sah mich offen an, während er die glückliche Neuigkeit verkündete.
»Elise hat vorhergesehen, dass wir eines Tages heiraten würden«, erzählte er. »Sie hat es mir gesagt, an dem Tag, als ich in Frankreich ausgepeitscht wurde. Und sie hatte selbstverständlich recht. Aber bis Messina war mir nicht bewusst, dass ich sie liebe. Zuerst sagte ich mir, das sei falsch und der Teufel führe mich mit wollüstigen Gedanken über sie in Versuchung …« Ich verkniff mir ein Lächeln. An der hageren Frau mittleren Alters, die da vor mir stand, konnte ich so gar nichts Verführerisches erkennen. »Aber dann hat Pater Simon mir gesagt, dass Gott unsere Vereinigung segnen würde, wenn ich mit ihr in den heiligen Stand der Ehe träte. Also haben wir uns vor einer Woche von ihm trauen lassen.«
Ich gratulierte ihm herzlich und freute mich sehr für die beiden. Meine Liebe zu Nur brachte mich dazu, dass ich der gesamten Menschheit das gleiche Glück wünschte. »Natürlich wollen wir jetzt so schnell wie möglich Kinder bekommen«, sagte er. Ich betrachtete Elises weißes Haar und die Falten um ihre Augen und murmelte: »Natürlich«, aber er überraschte mich, indem er fortfuhr: »… damit Gott
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