Der Kreuzfahrer
ist Juli. Wir haben Akkon vor einer Woche genommen. Nicht ohne Schwierigkeiten, aber die Festung kapitulierte in der zweiten Juliwoche, am zwölften, glaube ich.« Er betrachtete mich nachdenklich. »Ich fange wohl besser ganz von vorne an.« Er brach sich ein Zweiglein Trauben ab und steckte sie sich in den Mund. Als er zu Ende gekaut hatte, fuhr er fort: »Wir fanden dich und Ghost in der Morgendämmerung nach der Schlacht im Olivenhain und brachten dich hinab zum Strand, wo ein Lazarett eingerichtet worden war. Der Kaiser nahm mitten in der Schlacht wieder die Beine in die Hand. Das war unser Glück, denn wenn er seine Truppen um sich gesammelt hätte, hätten sie uns zerquetscht wie ein Mann, der auf eine Ameise tritt. Aber er floh, und wir siegten. Und unser schlauer Freund Malbête stand als Held da, der stolz das goldene Banner brachte. Er überreichte die Standarte dem König als Hochzeitsgeschenk zur Trauung mit Berengaria in Limassol, ein paar Tage nach der Schlacht. Malbête ist ein gerissener Bastard. Das war ein sehr kluger Schachzug, und der König war hocherfreut. Wir jagten den Kaiser eine Weile kreuz und quer über die Insel, aber der einheimische Adel hatte sich gegen ihn gewandt, und schließlich musste er sich geschlagen geben – und, ach, das wird dir gefallen …« Er nahm sich noch eine Traube. »Der Kaiser ergab sich unter der Bedingung, dass König Richard ihn nicht in Eisen legen würde. Richard gab sein Wort darauf. Als Isaak Komnenos eintraf, ließ Richard silberne Ketten schmieden und legte ihm diese an. Er hat einen garstigen Sinn für Humor, unser königlicher Herr, wirklich garstig.« Er lachte, aber mit einem Hauch von Bitterkeit, glaubte ich.
»Zypern war also unser. Richard stach endlich gen Outremer in See, und wir landeten hier in Akkon. Die Belagerung war in vollem Gange, kam aber nicht voran. Die moslemische Besatzung in der Festung gab sich noch immer nicht geschlagen, und die christlichen Truppen davor waren ihrerseits von Saladins Armee umstellt. Natürlich änderte sich das alles mit König Richards Ankunft. Er begann unverzüglich mit dem Bau von Belagerungsmaschinen, wahren Ungeheuern, die Löcher in Festungsmauern schlagen können. Die müsstest du sehen, Alan. Viel gewaltiger als eine Mangonel. Jedenfalls sprengten wir einige Löcher in die Mauern, aber jedes Mal, wenn wir die Festung stürmen wollten, griff uns Saladin von hinten an. Aber als die Löcher in den Mauern schließlich groß genug waren, ergab sich die Garnison nach unzähligen blutigen Kämpfen an zwei Fronten – natürlich auf ausdrückliche Erlaubnis ihres Feldherrn. Auch Saladin zog sich zurück, das war so ausgehandelt worden. Wir hatten wirklich Glück. Ich konnte meine Männer aus dem Schlimmsten heraushalten …« Er lächelte säuerlich. »Vielmehr waren wir zu den blutigsten Angriffen nicht eingeladen.«
Er machte eine kleine Pause. Ich wusste, welch gewaltige Schmach diese einfache Tatsache bedeutete. Er straffte die Schultern und sah mir in die Augen. »Alan, die Wahrheit ist, dass ich aus irgendeinem Grund nicht mehr in der Gunst des Hofes stehe. Ich glaube, der König ist gegen mich eingenommen, und einige seiner Vertrauten tuscheln über mich … verbreiten Gerüchte über meine Familie … Wenn ich nur wüsste, wer es ist, würde ich die verlogenen Hurensöhne abstechen. Aber ich weiß es nicht.« Er betrachtete einen Moment lang seine Schuhe, dann richtete er sich wieder auf. »Nicht so wichtig«, sagte er. »Betrachten wir die guten Seiten: Wir haben nicht allzu viele Männer verloren, und du bist auf dem Weg der Besserung. Aber ich weiß nicht, ob ich noch lange in Outremer bleiben werde, wenn das so weitergeht. Ich muss noch ein paar Angelegenheiten regeln, aber danach werde ich womöglich nach Hause zurückkehren und mich dort um einiges kümmern.«
Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen. Ich wusste, von welchen Gerüchten er sprach: dass Marie-Anne ihm Hörner aufgesetzt habe und der kleine Hugh nicht sein Sohn sei.
»Möglich, dass wir bald alle nach Hause zurückkehren müssen. Ich glaube, die ganze Mission könnte jeden Augenblick scheitern«, fuhr er fort. »Unser galanter König Richard hat es wohl geschafft, mit jedem hier in Streit zu geraten. König Philip – nun, du weißt ja, wie die Dinge zwischen den beiden stehen, und es ist schlimmer geworden. Philip hat das Gefühl, dass Richard ihm die Lorbeeren gestohlen hat, indem er Akkon einnahm, nachdem Philip es
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