Der Kreuzfahrer
würde ihn noch umbringen. Die gute Nachricht ist, dass er und Richard sich auf einen rechtmäßigen König von Jerusalem einigen konnten. Sie haben sich für Guy de Lusignan entschieden. Aber – und das ist ein schöner Kompromiss, Alan – der Anspruch gilt nur zu seinen Lebzeiten. Nach seinem Tod wird ihm Conrad of Montferrat oder einer seiner Erben auf den Thron folgen. Immerhin haben sie es geschafft, sich ohne weitere Streitereien darauf zu verständigen.«
In diesem Moment sah ich Nicholas de Scras auf unseren Tisch zusteuern, mit William im Schlepptau. »Dieser junge Bursche irrte im Hospital umher. Er sucht nach Euch«, erklärte Sir Nicholas lächelnd. Er setzte sich an den Tisch und nahm sich ein Stück Fisch.
»Herr, der Earl of Locksley ist zurückgekehrt und wünscht Euch baldmöglichst zu sehen, wenn es Eure Gesundheit zulässt«, sagte William. In Gegenwart der beiden beeindruckenden Ritter gab mein Diener sich viel förmlicher als sonst. Ich erhob mich, steckte einen letzten Bissen in den Mund und machte mich auf den Weg.
»Strengt Euch nicht zu sehr an, Alan«, riet Sir Nicholas mir noch. »Die Ärzte im Hospital sind mit Eurer Genesung sehr zufrieden, aber Ihr sollt so viel wie möglich ruhen, hört Ihr?« Ich nickte, winkte zum Abschied und eilte davon, um meinem streunenden Herrn aufzuwarten.
Kapitel 15
R obin hatte ein großes Gebäude im Norden der Stadt in der Nähe des großen Hafens requiriert, das zuvor einem reichen Sarazenenkaufmann gehört hatte. Das Haus war prachtvoll, beinahe ein Palast, drei Stockwerke hoch und aus glattem, weißem Sandstein erbaut. Es hatte große, kühle Räume und großzügige Stallungen, und ein großes Lagerhaus gehörte auch dazu, in dem etwa die Hälfte unserer Männer untergebracht waren. Die Übrigen hatten sich überall in der Stadt möglichst günstige Unterkünfte gesucht. Der Kaufmann, dem dieses prächtige Haus einst gehört hatte, war nun einer von fast dreitausend zerlumpten, halbverhungerten moslemischen Gefangenen in den weitläufigen Kellern tief unter der Stadt. König Richard hatte mit Saladin ein Lösegeld von zweihunderttausend Goldstücken vereinbart. Außerdem sollte uns wundersamerweise ein echtes Stück des wahren Kreuzes übergeben werden – des einen Kreuzes, an dem Jesus Christus den Opfertod gestorben war. Der Sarazenenfeldherr hatte diese heiligste Reliquie nach der katastrophalen Schlacht von Hittin vier Jahre zuvor erobert.
»Ich möchte, dass du morgen Abend bei einem Fest spielst, das ich geben werde«, sagte Robin, als ich ihn gefunden hatte. Er wohnte in einem luxuriösen Gemach mit hohen, eleganten Säulen und wehenden Musselinvorhängen, die jede Meeresbrise einzufangen und den Raum selbst am heißesten Tag zu kühlen schienen. Die Einrichtung war prächtig – polierte Zedernholzmöbel, weiche Teppiche und große, dicke Kissen. Auf den ersten Blick hätte ich meinen Herrn beinahe nicht erkannt: Robin war wie ein Sarazene gekleidet mit einem langen, weiten Gewand aus leichtem Tuch. Er trug einen Krummdolch am Gürtel, einen goldenen Turban auf dem Kopf, Seidenpantoffeln an den Füßen, und seine Haut war offenbar mit irgendeinem Mittel dunkel gefärbt. Ich starrte ihn an, riss mich aber zusammen und nuschelte: »Selbstverständlich, Herr, es wird mir ein Vergnügen sein …« Dann war es mit meiner Höflichkeit vorbei. »Warum, um alles in der Welt, seid Ihr so lächerlich ausstaffiert?«, platzte ich heraus. Ich konnte meine Neugier nicht länger zügeln. »Und wo wart Ihr die ganze Woche lang?«
Robin lachte und drehte sich vor mir im Kreis, damit ich seine prächtige orientalische Aufmachung von allen Seiten bewundern konnte. Er wirkte völlig gelöst, fröhlich und – da war noch etwas. Er strahlte die undefinierbare Aura eines Mannes aus, dem soeben ein großer Coup gelungen ist. »Ich dachte mir schon, dass dich das amüsieren würde. In diesen Gewändern bin ich der geheimnisvolle, mächtige und unermesslich reiche Kaufmann Rabin al-Hud, der in den Weihrauchhandel einsteigen möchte, um den Ungläubigen die Speise der Götter zu verkaufen. Und ich habe einen sehr angenehmen Besuch in Gaza absolviert, bei Bekannten von Reuben, mit denen er in geschäftlicher Beziehung steht. Wir sind gestern von dort zurückgesegelt.«
»Gaza?«, wiederholte ich. Er lachte erneut. Ich war verwundert, begriff jetzt aber immerhin die seltsame Aufmachung. Als Christ hätte er sich unmöglich in Gaza bewegen können, das sich
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