Der Kreuzfahrer
weit im Süden und auf dem Gebiet der Sarazenen befand. Ich half Robin, seine merkwürdige Kostümierung abzulegen und sich in anständige christliche Gewänder zu kleiden – Beinlinge aus grüner Wolle, eine schwarze Cotte und eine weite grüne Gugel. Währenddessen erzählte er mir, was er in Gaza getrieben hatte und wie er seinen Geldsorgen langfristig abhelfen wollte.
»Weihrauch ist ein kostbares Gut, wie du sicher weißt. Bei jeder Messe in jeder größeren Kirche in der gesamten Christenheit wird er verbrannt. Du kannst dir also vorstellen, dass auch wir in England viel davon verbrauchen. Weihrauch ist das getrocknete Harz eines recht kümmerlichen Baumes, der in einem Land namens al-Yaman gedeiht. Das liegt ganz im Süden der arabischen Halbinsel und ist rein zufällig Reubens Heimatland. Also, der Wert von Weihrauch steigt, je weiter weg von seinem Ursprungsland er verkauft wird. In al-Yaman kann man ein Pfund Weihrauch für ein paar Pennys kaufen. In England oder Frankreich ist er mehr wert, als wenn man ihn in Gold aufwiegen würde.« Er verstummte, als ich ihm die schwarze Cotte über den Kopf zog. Dann sagte er: »Herrgott, Alan, diese Kleidung ist furchtbar warm!« Er ließ sich von mir einen Becher verdünnten Wein bringen, ehe er mit seiner Erläuterung fortfuhr.
»Seit vielen Jahrhunderten, sogar schon vor der Geburt Jesu Christi war das so, wird Weihrauch auf Kamelkarawanen an der Westküste der arabischen Halbinsel entlang transportiert, das sind Hunderte Meilen gefährlichen Weges durch Gebirge und Wüsten, über Steppen und Bergpässe. Und mit jedem Schritt des Kamels wird der Weihrauch auf seinem Rücken wertvoller. Natürlich muss man den Leuten, deren Land man mit der Karawane passiert, Zoll bezahlen, und man muss Männer anheuern, die sie bewachen und Proviant und Wasser für alle beschaffen. Als die Römer nach Ägypten kamen, vor über tausend Jahren, verfolgten und töteten sie beinahe sämtliche Seeräuber auf dem Roten Meer. Auf einmal wurde es lohnend, da billiger und sicherer, den Weihrauch per Schiff zu transportieren. Und so macht man das bis heute. Die kostbare Fracht wird in Aden verladen, dann mit Galeeren oder Feluken die Küste hinaufgebracht und im Golf von Akaba wieder ausgeladen. Aber man braucht immer noch Karawanen, um den Weihrauch durch die Wüste Sinai hinauf nach Gaza zu bringen. Reuben hat als junger Mann auf dieser Route gearbeitet, als Karawanenwächter. Er kennt das Geschäft in- und auswendig: die Leute, die daran beteiligt sind, die Routen, den zeitlichen Ablauf des Transports …«
Robin unterbrach sich, und ein etwas unsicherer Ausdruck huschte über sein Gesicht, als hätte er vielleicht zu viel gesagt. Dann zuckte er mit den Schultern und fuhr fort: »Von großen Lagerhäusern in Gaza aus wurde der Weihrauch früher an die christlichen Händler verkauft, nach Italien verschifft und an Kirchen in der gesamten christlichen Welt weiterverkauft. Kannst du mir folgen?«
Ich nickte.
»All das hat sich vor vier Jahren schlagartig geändert, als wir Jerusalem verloren«, erklärte Robin. »Seither können die Karawanen Gaza nicht mehr anlaufen, weil es keine Käufer mehr gibt. Sie können sich dort nicht mehr mit ihren christlichen Geschäftspartnern treffen und ihren Handel tätigen, denn die Sarazenen würden jeden Christen, der sich dort blicken ließe, einkerkern und wahrscheinlich hinrichten. Die Weihrauchkarawanen müssen jetzt weiter nach Norden hinauf – über hundert felsige, dürre und von Wegelagerern heimgesuchte Meilen weiter nach Norden. Hierher, nach Akkon.«
Ich wunderte mich ein wenig über diese Lehrstunde, und das sah man mir wohl an, denn Robin fragte leicht gereizt: »Verstehst du denn immer noch nicht? Reuben und ich waren in Gaza, um die Weihrauchhändler aufzusuchen. Und wir haben ihnen ein Angebot unterbreitet. Ein Angebot, das sie kaum werden ablehnen können. Wir haben ihnen vorgeschlagen, ihren gesamten Weihrauchbestand aufzukaufen, wodurch sie sich die Kosten und die Gefahr sparen, ihn per Karawane weiter nach Norden transportieren zu müssen, durch die von
Wegelagerern
heimgesuchte Wüste.« Diese ungewöhnliche Wendung gebrauchte er nun schon zum zweiten Mal. »Das war Reubens Einfall, und ich halte ihn für geradezu brillant. Ein gutes Geschäft für die Händler und für uns. Und alle sind zufrieden.«
»Was ist mit den christlichen Kaufleuten in Akkon?«, fragte ich. »Werden sie nicht sehr zornig sein, wenn ihr Weihrauch
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