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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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von einem anderen Händler aufgekauft wird? Dass sie, genau genommen, ganz aus dem Weihrauchhandel ausgeschlossen werden?«
    »Ich glaube, irgendwo gelesen zu haben«, entgegnete Robin ein wenig zu selbstzufrieden, »dass jeder Mensch mit gewissen Enttäuschungen im Leben rechnen muss und sich bemühen sollte, aus der Erfahrung zu lernen.« Damit war das Gespräch für ihn beendet.
     
    Zu dem Abendessen am nächsten Abend kam ich absichtlich früh, suchte mir eine geeignete Ecke im luxuriösen, großen Speisezimmer und dachte nach, während ich schon einmal meine Vielle stimmte. Mein Handgelenk war noch immer nicht so beweglich, wie ich es gern gehabt hätte, aber es würde gehen. Ich war sehr neugierig darauf, mit wem Robin heute Abend speisen wollte. Reuben würde vermutlich einer der Gäste sein, denn jetzt war mir klar, weshalb er bei Robins Plänen im Heiligen Land eine so wichtige Rolle spielte – Plänen, die nicht das Geringste mit unserer heiligen Mission zu tun hatten, Jerusalem von den Sarazenen zu befreien.
    Reuben war der Schlüssel zu Robins Weihrauchcoup, weil Reuben das Geschäft kannte, die Karawanenrouten und die richtigen Leute: Jetzt war mir völlig klar, weshalb Robin in York Ruths Leben geopfert und Reubens gerettet hatte, doch diese Erkenntnis war mir auch kein Trost. Robin hatte zugelassen, dass ein junges Mädchen gestorben war, um seine Aussicht auf zukünftigen Reichtum zu verbessern. Dieses Wissen jagte mir einen Schauer über den Rücken, aber aus irgendeinem Grund war ich nicht so schockiert, wie ich hätte sein sollen. Ich war eher entmutigt. Es war, als erkannte ich erst jetzt allmählich, was für ein Mensch Robin wirklich war – nicht der strahlende, edle Held, den ich in ihm hatte sehen wollen, sondern ein harter, skrupelloser Mann, der zu allem bereit war, was ihm und seinen Interessen diente. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass zu Robins Weihrauchplan noch ein Teil gehörte, den er für sich behalten hatte, und ich wollte gar nicht darüber nachdenken, worum es dabei gehen könnte.
    Ich hatte keine Zeit gehabt, neue Stücke zu komponieren, aber Robin hatte mir zu verstehen gegeben, dass ich seine Gäste nur mit besänftigender Hintergrundmusik unterhalten sollte (und wahrscheinlich gleich noch verhindern, dass jemand ihre Gespräche belauschte). Also spielte ich übungshalber ein paar von Robins Lieblingsstücken und wartete dann auf das Eintreffen der Gäste.
    Reuben erschien als Erster, schmal und müde, aber in einem neuen, kostbar bestickten Gewand. Ich war froh, dass er so früh gekommen war, denn ich wollte etwas sehr Wichtiges mit ihm besprechen. Wir unterhielten uns eine Weile leise in meiner Musikanten-Ecke, und als wir uns auf einen Plan verständigt hatten, schlenderte Reuben davon, um sich von einem Diener etwas zu trinken bringen zu lassen.
    Der Nächste, der den Saal betrat, war ebenfalls einer von Robins Gästen, ein untersetzter, beleibter Mann mittlerer Größe. Anhand seiner dunklen Locken und glühenden Augen vermutete ich, dass er Araber war, doch er war westlich gekleidet, mit Cotte, Beinkleidern und hohen Seemannsstiefeln, die ihm bis über die Oberschenkel reichten. Er strahlte überhaupt etwas von einem Seefahrer aus: Sein Gang war leicht schwankend, als fühlte er sich auf festem Boden nicht ganz heimisch, er trug schwere Goldringe in beiden Ohren und einen kurzen, dicken Säbel an der Hüfte, der gewiss nicht zur Zierde da war. Er ignorierte mich auf meinem Schemel in der Ecke, doch ich hatte damit gerechnet, dass ich heute Abend praktisch unsichtbar sein würde. Reuben hingegen begrüßte der arabische Seemann freundlich, aber zurückhaltend. Dann erschien Robin in Begleitung zweier Bogenschützen, die ich vage kannte und die sogleich an der Tür postiert wurden. Robin trug wieder das lange Sarazenengewand, doch ohne Kopfbedeckung, und seine Haut war nicht dunkel gefärbt.
    Ich begann leise mit »My Joy Summons Me« und hielt auch meine Stimme gedämpft. Robin schaute zu mir herüber und lächelte. »Spiel ein wenig lauter, Alan, sei so gut. Ich glaube, unsere Gäste kennen dieses schöne Lied noch gar nicht.«
    Gehorsam begann ich, kraftvoller zu spielen und zu singen. Deshalb konnte ich von den Gesprächen während des langen Essens nur noch Fetzen aufschnappen, sosehr ich mich auch bemühte. Reuben, Robin und der Seefahrer, den er Aziz nannte, saßen auf großen Kissen auf dem Boden um einen breiten, niedrigen Tisch. Hin und wieder traten

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