Der Kreuzfahrer
an. Er führte mir das Manöver noch einmal vor, nur dass die Spitze des Schildes diesmal in die leere Luft emporstieß. Dann ließ der Ritter sein Schwert in die Scheide gleiten, legte den Schild ab und kniete sich neben den Riesen auf den Boden. Er war nicht einmal außer Atem.
Little John hatte sein Schwert fallen lassen, saß mit dem breiten Hinterteil auf dem Pflaster, schwankte leicht vor und zurück und keuchte schwer. Sein Blick wirkte ein wenig benommen, und vor Überraschung war ihm der Mund offen stehen geblieben. Ich war nicht weniger erstaunt. Noch nie hatte ich erlebt, dass Little John in einem Kampf geschlagen worden wäre, und obendrein so schnell. Es war nahezu unglaublich. Und doch hatte dieser schlanke Mann, der Little John nur bis zur Brust reichte, ihn scheinbar mühelos in den Staub befördert. Sir Nicholas kniete neben seinem Opfer, untersuchte Little Johns Kopf und rief über die Schulter: »Richard, sei so gut und bitte einen der Dienstboten, mir etwas Wasser und ein Tuch zu bringen.« Dann zog er vorsichtig Little Johns rechtes Augenlid hoch, neigte dessen Kopf zurück, so dass die Sonne auf das Auge traf, und spähte tief hinein.
Sir Richard at Lea und ich zogen uns ins Refektorium der Johanniter zurück und orderten bei einem der dienenden Brüder eine Mahlzeit aus gegrilltem Fisch, Erbsenmus, Brot und Wein. Während wir uns stärkten, fragte ich meinen Freund, was er in den vergangenen Wochen getan hatte, seit die Stadt gefallen war.
»Der Großmeister hat entschieden, unser Hauptquartier nach Akkon zu verlegen, bis Jerusalem zurückerobert werden kann«, sagte er. »Also war ich damit beschäftigt, unsere neuen Unterkünfte zu organisieren. Aber was die meiste Zeit verschlingt, ist der Ärger mit den verdammten Kaufleuten. Ich kann dir sagen, Alan, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie eine derartige Schar schmieriger Halunken erlebt. Sie sind ein feiger Haufen, jammern ohne Unterlass, weil Räuber ihre Karawanen überfallen, und verlangen, dass unsere vielbeschäftigten Ritter ihren Schutz gewährleisten. Das ist einerseits verdammt lästig, aber andererseits gehört der Schutz von Pilgern und Reisenden vor menschlichen Raubtieren, die in der Wüste lauern, zu unseren heiligen Pflichten hier im Gelobten Land.« Er runzelte die Stirn und nahm sich noch ein großes Stück Fisch.
Ich wusste, dass die Templer zwar in erster Linie ein religiöser und militärischer Orden waren, sich inzwischen aber auch dem Handel zugewandt hatten. Bei ihren als Kommende bezeichneten Außenposten überall in der christlichen Welt, ihrer eigenen großen Flotte und ihren guten Verbindungen in den höchsten Ständen war es nur natürlich, dass sie beim Transport von Nahrung und Waffen zu ihren abgelegenen Außenposten auch Waren mitnahmen, die sie mit Gewinn verkaufen konnten. Sie hatten sogar ein kluges System des Geldtransfers entwickelt. Ein Kaufmann konnte einer Komturei, beispielsweise in Frankreich, Geld übergeben. Als Bestätigung wurde ihm ein Stück Pergament ausgehändigt. Wenn er dieses Pergament in einer anderen Templerkomturei Hunderte, vielleicht sogar Tausende Meilen entfernt vorlegte, bekam er die genannte Summe ausgezahlt, abzüglich einer kleinen Gebühr. Das machte Reisen, für Kaufleute immer gefährlich, wesentlich sicherer. Die Templer waren zudem durch einen Erlass des Papstes von allen Abgaben und Zöllen befreit, ein weiterer großer Vorteil. Es wurde oft behauptet, dass die Templer trotz ihres persönlichen Armutsgelübdes Reichtümer angehäuft hatten, von denen Könige und Kaiser nur träumen konnten.
»Und Saladin ist noch nicht abgezogen«, fuhr Sir Richard fort. »Akkon mag er verloren haben, aber er ist noch immer mit über zwanzigtausend Mann da draußen in den Hügeln. Er wartet nur darauf, dass wir die Stadt verlassen. Wenn er dann zuschlägt, gibt es eine ordentlich blutige Schlacht, bei Gott. Und darauf müssen wir vorbereitet sein – wenn ich nicht das Kindermädchen für Kaufleute spiele, unterweise ich die neuen Männer im Kampf.«
»Wann werden wir hier aufbrechen?«, fragte ich. Ich konnte es kaum erwarten, Jerusalem, die Heilige Stadt, zu sehen und in der Grabeskirche um Vergebung für meine Sünden zu beten.
»Das hängt von unseren königlichen Herren ab: König Richard brennt darauf, weiter gen Süden nach Jerusalem zu ziehen, aber Philip spricht ganz offen von einer Rückkehr nach Frankreich. Er behauptet, er sei nicht wohl und die verdammte Hitze
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