Der Kreuzfahrer
erwischten nur ein paar Dutzend Plünderer. Die meisten hatten uns kommen sehen und galoppierten schon gen Osten davon, so schnell ihre schwerbeladenen Pferde sie tragen konnten.
Nachdem wir die Feinde von den Wagen vertrieben und so viele wie möglich mit unseren Lanzen durchbohrt hatten, taten wir das Richtige. Mit beispielhafter Selbstbeherrschung brachen wir unseren Sturmangriff ein paar hundert Schritt hinter den Trümmern des ersten Ochsenkarrens ab und kehrten zur Division zurück. Ich hatte keinen Feind getötet, ja, ich war nicht einmal bis auf zwanzig Fuß an irgendeinen Sarazenen herangekommen. Doch in kürzester Zeit war der Wagenzug wieder unter unserer Kontrolle, und die Plünderer waren vertrieben.
»Gut gemacht, Locksley«, rief der König Robin zu. »Sehr ordentlich.« Mit ernster Miene verneigte sich mein Herr im Sattel vor seinem König, doch ich glaubte, einen Ausdruck ungeheurer Erleichterung über sein Gesicht huschen zu sehen.
»Blondel«, rief mein König nach mir.
»Hoheit?«
»Reite zurück zum Kopf der Kolonne. Sag Guy de Lusignan, er soll anhalten lassen – oh, Verzeihung, ich meinte natürlich: Ersuche höflichst Seine Majestät, den König von Jerusalem, er möge die Güte haben, haltmachen zu lassen. Wir lagern heute hier und versuchen, diese Schweinerei in Ordnung zu bringen. Nun reite schon, ab mit dir.«
Also ritt ich.
Die französischen Ritter kehrten sehr spät am Nachmittag einzeln oder zu zweien zurück, erschöpft, durstig und auf lahmen, schweißgebadeten Pferden. Ihr Angriff hatte keinerlei Wirkung auf den Feind gehabt, da sie ihre Lanzen gar nicht erst hatten einsetzen können. Sie hatten nichts erreicht und in blutigen, verstreuten Scharmützeln mehr als die Hälfte ihrer Männer verloren. Nachdem der Angriff ins Leere gelaufen war, waren die verstreuten, vereinzelten Ritter auf fremdem Gebiet rasch von Sarazenen umzingelt worden, die in ganzen Schwärmen wie aus dem Nichts aufzutauchen schienen. Die Pferde starben ihnen unter dem Sattel, mit Dutzenden Pfeilen gespickt, und dann wurden die unglückseligen Edelmänner entweder gefangen genommen oder gleich von ihren Feinden getötet, die zehn zu eins in der Überzahl waren. Bis zum Abend schafften es nur zweihundert der Ritter, die am Nachmittag so kühn davongestürmt waren, zurück in unser Lager. Viele von ihnen hatten schwere Verletzungen davongetragen, die sie nur allzu bald vor ihren Schöpfer bringen würden.
All das erfuhr ich von Will Scarlet, der gesehen hatte, wie einige der überlebenden Franzosen ins Lager gehumpelt waren, und daraufhin mit ihren Anführern gesprochen hatte. Will hatte sich bei unserem kurzen Angriff auf die Plünderer gut geschlagen. Er hatte einen Mann mit seiner Lanze getötet – der Sarazene hatte versucht, mit zwei gewaltigen Getreidesäcken zu entkommen, die so schwer waren, dass sie sein Pferd stark behindert hatten, und Will hatte ihn oberhalb der Hüfte aufgespießt. Er war ganz aufgeregt, weil er dem Feind »einen stolzen Schlag im Namen Jesu« zugefügt hatte, wie er sich ausdrückte, und ich freute mich für ihn. Wie ich je darauf gekommen war, er könnte Robin nach dem Leben trachten, war mir selbst ein Rätsel. Ich blickte in sein ehrliches Gesicht, das mich fröhlich mit seiner Zahnlücke angrinste, während er mir noch einmal erzählte, wie er die Lanzenspitze zum tödlichen Stoß geführt hatte. Und mir wurde klar, dass er ein wahrer Freund war, ein guter Mann, den ich gern an meiner Seite hatte, wenn wir so weit weg von zu Hause durch Feindesland zogen. Beim Gedanken an England wallte großer Kummer in mir auf: Ich sehnte mich nach der kühlen Luft Yorkshires, nach Kirkton, nach meinen Freunden Tuck, Marie-Anne und Goody. Einen kurzen, schwachen Augenblick lang wünschte ich mir nur noch, wieder zu Hause zu sein.
Am nächsten Tag blieben wir, wo wir waren, keinen halben Tagesritt von Akkon entfernt, doch bis auf ein paar einsame Späher am Horizont sahen wir den Feind nicht wieder. Der König hatte beschlossen, die Divisionen neu aufzuteilen, zur großen Schmach der Franzosen. Ab sofort, entschied Richard, würden die Tempelritter und die Ritter des Johanniterordens abwechselnd den Tross bewachen. Das war die gefährlichste Aufgabe, die folglich auch die meiste Ehre einbrachte, und Richard enthob die Franzosen dieser Pflicht. Das war natürlich ein Schlag ins Gesicht des Herzogs von Burgund, aber Richard war erzürnt, weil seine Befehle schon am ersten Tag des
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