Der Kreuzfahrer
das Dichten gründlich verdarb. Der König war bei einem Angriff auf unsere Kolonne von einer kurzen Lanze in die Seite getroffen worden. Die Verletzung war nicht schwer, bereitete ihm jedoch Schmerzen, wenn er sich zu schnell bewegte, so dass auch er nicht recht zum Musizieren aufgelegt war. Und obendrein kam es mir irgendwie ganz falsch vor, spaßige Liedchen über hübsche Damen und ihre vornehmen Tändeleien zu singen – wir saßen mitten in der Wüste, die Schreie der Verwundeten hallten durch die nächtliche Stille, und irgendwo da draußen in der Dunkelheit wartete eine riesige heidnische Armee, die am Morgen erneut versuchen würde, uns zu töten.
Eines Abends kam William mit einer Nachricht von Robin zu mir. Mein Herr hatte sich seit unserem Überfall auf die Karawane mir gegenüber sehr reserviert gezeigt, obwohl wir uns ja formell wieder versöhnt hatten. Und darüber war ich gar nicht glücklich.
»Der G-G-Graf wünscht Euch in seinem Z-Z-elt zu sprechen, so bald wie möglich«, bestellte William mir.
Ich fand Robin in seinem Pavillon. Er saß mit blankem Schwert auf einer leeren Kiste.
»Was gibt es, Herr?«, fragte ich, als ich eintrat. Robin ruckte mit dem Kinn in Richtung seines Bettes, einer einfachen Pritsche mit einer rauhen Wolldecke darauf. »Zieh die Decke zurück, aber vorsichtig. Diesmal ist es keine Schlange«, sagte er. Mir sträubten sich die Haare im Nacken. Sehr vorsichtig schälte ich die wollene Decke von der Pritsche. Dann wich ich mit einem angewiderten Keuchen zurück: Eine riesige, braun gefleckte Kugel, so groß wie meine Hand, lag mitten auf dem Bett. Auf einmal bewegte sie ganz langsam eines von vielen schmierig aussehenden Beinen.
»Was ist das?«, fragte Robin. Er sprach mit dieser ungeheuer ruhigen, ausdruckslosen Stimme, die er dann gebrauchte, wenn er eine starke Gefühlsregung verbergen wollte.
»Eine Spinne, glaube ich, aber eine so große habe ich noch nie gesehen«, antwortete ich. »Reuben könnte es wissen.« Urplötzlich setzte Robin sich in Bewegung. Er stand auf, hob sein Schwert, machte einen geschmeidigen Satz und spießte das haarige Scheusal auf, so dass die Klinge die Tuchbespannung der Pritsche spaltete. Die Beine des Tiers, das auf Robins Klinge steckte, zappelten, und ich musste meinen heftigen Ekel herunterschlucken, als so etwas wie gelber Eiter aus der tödlichen Wunde sickerte.
Reuben wurde herbeigerufen und humpelte an zwei Krücken herein. Sein gebrochenes Bein schien gut zu verheilen, und der kleine Ausritt zu Robins Karawanenüberfall hatte ihm offenbar auch nicht geschadet. »Das ist eine Tarantel«, sagte er sofort. »Ihr Biss ist sehr schmerzhaft, aber nicht tödlich. Und sie lag in deinem Bett? Schon wieder?«, fragte er fassungslos.
Robin schickte uns hinaus – er behauptete, er wolle schlafen, doch Reuben hielt mich auf, sobald wir das Zelt verlassen hatten. Er nahm mich beim Arm und führte mich außer Hörweite. »Soweit ich weiß, hast du dich mit Robin überworfen.« Ich gab anstelle einer Antwort ein nichtssagendes Brummen von mir. »Er ist gewiss ein harter Mann ohne Skrupel, und er kann eiskalt sein, aber versuche einmal, dich in seine Lage zu versetzen. Er trägt die Verantwortung für viele Menschenleben, und er beklagt sich nie darüber: seine Männer, seine Frau Marie-Anne, ihr kleiner Sohn, du und sogar ich selbst – wir alle sind Robin zu Dank verpflichtet. Und alles, was er tut, auch die schrecklichen Dinge, tut er letztlich für uns.«
Ich sagte nichts. Ich kannte Robins Haltung sehr gut: Er war zu allem bereit, um die Menschen zu schützen, die ihm nahestanden – seine Freunde, seine Familie, Gefolgsleute und alle Männer und Frauen, die ihm dienten. Doch jeder außerhalb dieses magischen Kreises bedeutete ihm nichts: Feinde, Fremde, ja selbst unsere Mitstreiter auf dieser heiligen Mission waren für ihn nicht einmal richtige Menschen. Sie waren dazu da, benutzt, belogen, betrogen, ignoriert und sogar getötet zu werden, wenn es Robins Zwecken diente.
»Ich bin Jude«, sagte Reuben. »Ich verstehe, was Familie bedeutet, was es heißt, die eigenen Leute zu verteidigen. Und ich weiß, warum Robin so handelt. Ich respektiere das. Er ist ein großer Mann, wahrhaftig, das ist er. Und deshalb …« Er zögerte ein paar Augenblicke. »… und deshalb bitte ich dich: Falls du weißt, wer in unserem Lager Robin auf so abscheuliche und heimtückische Weise zu schaden versucht, musst du es mir jetzt sagen.«
Er sah
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