Der Kreuzfahrer
einem Ohr zum anderen aufgeschlitzt. Auch unten am Strand.«
Das ließ die beiden innehalten. Sie starrten mich an, als sei ich von Sinnen. »Er war es, der versucht hat, Euch zu töten«, erklärte ich müde. Ich sehnte mich nur noch danach, auf mein Lager zu sinken und zu schlafen. Der Wein lockerte den Griff, mit dem ich mich noch an der Welt festhielt. Ich schenkte mir einen zweiten Becher ein. »Sein Name war Peveril. Er war der Sohn, den Ihr am Leben gelassen habt, nachdem Ihr vor drei Jahren Sir John zur Strafe verstümmelt hattet. Seither versucht er, sich an Euch zu rächen.«
Reuben und Robin hatte es die Sprache verschlagen. Schließlich fragte Reuben fassungslos: »Dieser gutherzige kleine Diener?«
Ich stand auf, leerte meinen Becher und sah Robin direkt in die Augen. »Also, mein Herr, braucht Ihr aus dieser Richtung nichts mehr zu befürchten.« Damit kehrte ich ihnen den Rücken, ignorierte die Fragen, die sie mir nachriefen, stapfte aus dem Zelt und machte mich auf die Suche nach meinen Decken.
Drei Tage später erreichten wir Jaffa. Saladin hatte die Stadtmauer geschliffen, und die meisten Bewohner waren vor Richards siegreicher Armee geflohen. Ja, die Stadt war in einem so erbärmlichen Zustand, kaum mehr als ein riesiger Trümmerhaufen, dass wir gezwungen waren, unser Nachtlager in einem Olivenhain aufzuschlagen. Ambroise hatte recht gehabt: Richards barbarischer Mord an den gefangenen Sarazenen in Akkon hatte sich blitzschnell im ganzen Heiligen Land herumgesprochen, und die Menschen flohen lieber aus ihren Häusern, statt eine Belagerung durch den Sieger der Schlacht von Arsuf zu riskieren.
Ambroise bewies mir einmal mehr, wie schlau er war, als wir uns unter einem gestreiften Sonnensegel in der Nähe des königlichen Heerlagers einen Krug Wein und eine Schale Feigen teilten. »Er mag dich sehr, weißt du?«, sagte Ambroise und beugte sich verschwörerisch vor. »Der König, meine ich. Er findet deine Musik erfrischend ländlich. Und er hat mich gebeten, in seinem Auftrag mit dir zu sprechen.« Ich wunderte mich, was das bedeuten könnte. »Nun, er weiß natürlich, dass du dem Earl of Locksley dienst, und das schon, seit …« Ambroise fand offenbar keine höflichen Worte für »seit er ein Geächteter war«, also nippte er nur an seinem Wein. »Nun, er weiß natürlich, dass du an den Grafen gebunden bist, aber gewisse Leute haben angedeutet, dass du mit deinem Los nicht allzu glücklich bist, dass es …
Unstimmigkeiten
… zwischen dir und deinem Herrn gegeben hat. Und da hat Seine Königliche Hoheit sich gefragt, ob du nicht lieber, oder vielmehr, ob du in Erwägung ziehen könntest, nun ja, in seine Dienste zu treten, als sein Trouvère. Wie gesagt, er mag dich, er bewundert deine Musik, und er weiß, dass du in Arsuf tapfer gekämpft hast.«
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Der König von England wollte, dass ich in seinen persönlichen Dienst trat? Ich, ein ehemaliger Taschendieb, ein – wie Robin so treffend gesagt hatte –, ein rotznasiger kleiner Dieb aus Nottingham? Mir wurde ein Platz im Kreis der adeligen Freunde des Königs angeboten. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ambroise tat höflicherweise so, als merkte er nichts von meiner freudigen Verwirrung, und schwatzte munter weiter: »Natürlich würde er dich selbst zum Ritter schlagen. Das macht er bei allen, die zu seinem innersten Kreis gehören. Und das bedeutet natürlich auch Ländereien und ein beträchtliches Salär in Gold …«
Das war zu viel auf einmal, und ich nuschelte nur, ich werde darüber nachdenken. Doch ich konnte nicht mehr stillsitzen, und während Ambroise von anderen Dingen sprach und mich dabei aus den Augenwinkeln beobachtete, träumte ich von meiner strahlenden Zukunft als Mitglied des königlichen Haushalts. Ich würde Sir Alan Dale sein; Sir Alan of Westbury; Alan, der Ritter von Westbury … der Gedanke machte mich trunken.
Als ich Ambroise verließ, ging ich auf Wolken. Ich taumelte mit einem seligen Grinsen auf dem Gesicht durch den Olivenhain, und das Grauen der letzten Wochen war vergessen. Ich war der ganzen Menschheit von Herzen wohlgesinnt. Nur eine merkwürdige Kleinigkeit schmälerte an jenem Abend mein Glück. Ich hatte das deutliche Gefühl, dass mir jemand folgte. Während ich munter wie ein Rotkehlchen dahinspazierte, sah ich aus den Augenwinkeln eine kleine, dunkle Gestalt, die mir nachschlich. Doch jedes Mal, wenn ich mich nach ihr umdrehte, war sie
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