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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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wie ein beurlaubter Soldat mit einem auffälligen blauen Umhang, Kettenhemd und Schwert. Ein blutgetränkter Verband bedeckte eines meiner Augen und den Großteil der Wange. Außerdem hatte ich mir kurze Schnipsel von Alberts schwarzem Haar an Oberlippe und Kinn geklebt und meine blonden Locken unter einem breitkrempigen Hut verborgen. Um ehrlich zu sein, kam ich mir ein wenig lächerlich vor, doch Albert versicherte mir, dass mich niemand erkennen werde. Obwohl die falschen schwarzen Bartstoppeln eher behelfsmäßig angeklebt waren, sah ich damit älter und wesentlich derber aus. Später mochten sie darauf kommen, dass sie einer Verkleidung aufgesessen waren. Doch da alle glaubten, der begabte Trouvère Alan Dale sei vor zwei Tagen aus Nottingham davongeschlichen, seinen Schwanz niederster Herkunft zwischen die Hinterbeine geklemmt, würde man mich nicht sofort verdächtigen.
    Unser Plan war sehr einfach, wie die meisten guten Pläne. Und das Manöver war mir schon mehrmals geglückt, obwohl das letzte Mal über zwei Jahre zurücklag. Es beruhte auf Überraschung, dem perfekten Zeitpunkt und der natürlichen menschlichen Reaktion auf einen harten Schlag in die Magengrube, von dem einem die Luft wegbleibt.
    Sir Ralph Murdac stand an einem Verkaufstisch direkt an der Straße. In der Werkstatt dahinter konnte ich zwei junge Goldschmiede sehen, die fleißig mit ihren winzigen Hämmerchen filigrane Stücke bearbeiteten. Ich spürte das gewohnte freudige Kribbeln im Magen beim Gedanken an den bevorstehenden Coup. Neben Murdac auf der Straße stand der Goldschmiedemeister, der dem Edelmann eine prächtige goldene Brosche zeigte. Offenbar hatte er sich die Mühe gemacht, aus seiner Werkstatt hervorzukommen, um einen so bedeutenden Kunden höchstselbst zu bedienen. Zwei Bewaffnete in Murdacs Farben, Schwarz und Rot, lehnten etwa zehn Schritt entfernt an einer Hauswand und blickten gelangweilt drein.
    Ich ging auf den Laden zu, wo Murdac mit dem Meister feilschte, und blieb vor der benachbarten Goldschmiede stehen. Das Gesicht von dem ehemaligen Sheriff abgewandt, tat ich so, als betrachtete ich ein paar recht feine, mit Gold verzierte Sporen. William war mir in diskretem Abstand gefolgt. Ich befand mich etwa zwanzig Schritt von Murdac entfernt und war halb von ihm abgewandt. Aus dem Augenwinkel konnte ich William sehen, der sich heimlich zu mir vorarbeitete. Er war ein Naturtalent – er bewegte sich wie ein Raubtier, hielt mal auf dieser, dann auf der anderen Straßenseite inne, ließ den Blick schweifen, ohne je das zur Schau gestellte glänzende Edelmetall zu berühren oder irgendwelche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Doch falls irgendjemand sich die Mühe gemacht hätte, ihn zu beobachten und seine Bewegungen zu verfolgen, so wäre derjenige zu dem Schluss gekommen, dass William mich belauerte wie eine Katze, die sich an einen nichtsahnenden Spatz heranschleicht. Dann war er neben mir, zu meiner Rechten und zwischen Murdac und mir.
    Er befolgte meine Anweisungen genau und sah mich nicht an, sondern tippte nur mit dem Finger an meinen Oberschenkel. Ich flüsterte: »Jetzt«, und schrie gleich darauf. »He! Haltet den Dieb!« Flink wie eine Ratte schoss William los, weg von mir und direkt auf Ralph Murdac zu. Ich brüllte: »Meine Börse!«, und rannte ihm nach. Wir waren nur noch zwanzig Fuß von Murdac entfernt, und zwei Herzschläge später stieß William mit vollem Schwung gegen den schwarzgekleideten Ritter. Der Junge rammte ihm den Kopf hart in den Bauch direkt unterhalb der Rippen. Ich folgte ihm dicht auf den Fersen und schrie: »Dieb! Haltet ihn!« Als Williams brauner Schopf sich in Murdacs Mitte grub, war ich kaum einen Schritt hinter ihm. Dem verfluchten Dreckskerl wurde die Luft mit einem kurzen, gequälten »Umpf!« aus dem Leib gepresst. Er krümmte sich nach vorn, William prallte zurück und sauste um die vornübergebeugte Gestalt herum. Ich zeigte auf ihn und brüllte ihm nach, er solle stehen bleiben. Während alle Welt zusah, wie William sich davonmachte, tat ich so, als beugte ich mich besorgt über Sir Ralph Murdac. Ich legte ihm einen Arm um die Schultern, zog die Goldkette mit dem Rubin über seinen gesenkten Kopf und versteckte sie in meinem Ärmel. Dann ließ ich den keuchenden Ritter und die gaffenden, fußfaulen Bewaffneten stehen. Mit einem »Verzeiht, mein Herr, ich muss ihm nach!« war ich auf und davon und hetzte William hinterher um die nächste Ecke.
    William war schnell, das musste ich

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