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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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Alan, steht mir der Schmuck?«
    »Du siehst wunderhübsch aus«, antwortete ich. Und das stimmte. Ihr Gesicht hatte sich verändert, seit ich sie zuletzt gesehen hatte, vor ein paar Wochen erst: Es war länglicher geworden, weniger gerundet, die Wangenknochen markanter. Ihr Haar war lang und seidig, von genau demselben Farbton wie das Gold an ihrem Hals. Ich konnte die Schönheit schon deutlich sehen, zu der sie bald heranreifen würde. Also wiederholte ich: »Du siehst wirklich wunderhübsch aus.«
    Darauf verfärbte sich ihr Gesicht seltsamerweise dunkelrosa, und sie glitt von der Bank, auf der sie gesessen hatte, kam zu mir herüber, küsste mich auf die Wange und murmelte: »Danke, Alan«, ehe sie zum Privatgemach rannte. Sie war einfach vom Tisch aufgesprungen, ohne sich zu entschuldigen, und rief ihrer Herrin ungezogen über die Schulter hinweg zu, sie müsse sich auf der Stelle in Marie-Annes Silberspiegel betrachten.
    »Immer noch nicht ganz gezähmt, die Kleine«, sagte Robin mit schiefem Lächeln zu mir. »Im Grunde ihrer Seele ist sie wild geblieben.«
    Ich wusste, dass Robin recht hatte. Im vorletzten Jahr waren Goodys Eltern in einer Hölle aus Feuer und Blut grausam umgekommen. Danach hatten Ralph Murdacs Männer Goody und mich wie Tiere durch den Wald von Sherwood gejagt. Wir waren den Schwertern Berittener entronnen, von wilden Wölfen angegriffen und von einem Wahnsinnigen angefallen worden, der uns hatte fressen wollen – und es war Goody gewesen, die den rasenden Irren mit einem tapferen Dolchstoß ins Auge getötet hatte. In ihrer Seele loderte eine starke, wilde Flamme, die gewiss niemals erlöschen würde.
    »Sie wird bald einen Ehemann brauchen, Alan. Vielleicht bist du ja stark genug, diese Wildkatze zu zähmen«, bemerkte Little John und gab sein lautes, herzhaftes Hünenlachen von sich.
    Ich funkelte ihn an. »Goody ist noch ein Kind«, erwiderte ich barsch. »Ich betrachte sie als meine Schwester, die unter meinem Schutz steht, und solches Gerede will ich über sie nicht hören. Von niemandem!«
    Little John wirkte erstaunt über meinen Ausbruch, sagte jedoch nichts dazu. Da ergriff Marie-Anne das Wort – ihr Taktgefühl in schwierigen Situationen vermochte die Wogen wie immer rasch zu glätten.
    »Wir sind dir alle dankbar dafür, dass du den Edelstein zurückgebracht hast, Alan«, sagte sie. »Aber dürfte ich erfahren, wie dir das gelungen ist? Ich habe die Geschichte noch nicht gehört. Wäre es eine Zumutung, wenn ich dich bitte, sie noch einmal zu erzählen?«
    Besänftigt erzählte ich meiner wunderschönen Herrin, wie mutig und gewitzt ich gewesen war, und wie lächerlich und gedemütigt Sir Ralph Murdac sich jetzt vorkommen musste. Manche, die meine Schilderung schon gehört hatten, standen nach und nach vom Tisch auf, während andere herbeikamen und mich umdrängten. Wein wurde gebracht, und dann das Mittagsmahl.
    Marie-Anne erzählte mir von ihrem Besuch mit Robin bei der weisen Frau in Locksley, wo es so spät geworden war, dass sie die Nacht im Dorf hatten verbringen müssen. Die Frau hatte ihr gesagt, dass sie einen Jungen gebären und dieser zu einem starken und mächtigen Mann heranwachsen würde, einem großen Krieger. »Zumindest tritt er schon einmal um sich wie ein Krieger«, sagte meine Herrin und verzog das Gesicht, als ein leichter Krampf wie eine Welle über ihren geschwollenen Leib huschte.
    Es war Sonntag, niemand musste arbeiten, und so verbrachten wir den Tag mit Essen und Trinken, Geschichten und Rätseln und Gelächter und anderen angenehmen Dingen. Als es dämmerte und die Kerzen entzündet wurden, holte ich meine Fidel aus Apfelholz und spielte und sang für die Gemahlin meines Herrn und die Männer unserer wagemutigen Schar, bis es Zeit wurde, sich schlafen zu legen. Doch in jener Nacht träumte ich von einem riesigen Haufen Silbermünzen, eine halbe Manneslänge hoch, der in einer Lache aus Robins Blut glänzte.
     
    Auf Kirkton wurde hart exerziert. Jeden Morgen brachte ich draußen auf den Wiesen den Bogenschützen die Grundlagen des Schwertkampfs bei. Wenn einem Bogenschützen die Pfeile ausgehen, ist er mehr oder weniger wehrlos. Deshalb hatten wir unsere Schützen mit Kurzschwertern ausgestattet, und es war meine Aufgabe, sie im Umgang damit zu unterrichten.
    Es ist nicht einfach, zweihundert Männer auszubilden, doch wir teilten sie auf und unterstellten jede Gruppe von zwanzig Mann dem Kommando eines Hauptmanns, der doppelten Sold erhielt. Diese

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