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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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Schwertarm. Ich wusste, dass ein starker Schwerthieb einem Mann den Oberarm brechen konnte, auch ohne ein Kettenhemd zu durchdringen. Und ein Mann, der mit gebrochenem Schwertarm vor mir stand, war ein toter Mann.
    Eines prächtigen Vormittags nicht lange nach meiner Rückkehr aus Nottingham umkreisten John und ich einander auf dem kümmerlichen Gras der Übungswiese. Ich reizte ihn, indem ich ihn verspottete: Da er immer noch Junggeselle sei, teile er das Bett wohl lieber mit hübschen Jungen. Dabei achtete ich sorgsam darauf, außer Reichweite seines Langschwerts zu bleiben. Er schlug daraufhin vor, ich solle ein wenig näher kommen, damit er mir zeigen könne, was er mit frechen Rotzlöffeln wie mir wirklich gern tat. Unsere derben, aber gutmütigen Scherze entlockten dem Kreis der Bogenschützen und Spießträger, die uns zusahen, lautes Gelächter. Doch diesmal hatte ich den Eindruck, dass ich ihn tatsächlich aufgestachelt hatte, und legte mit einem kleinen Sprüchlein nach – wenn ich mich recht erinnere, lautete es: »John ist nicht schön anzuschaun, doch seinen Schwanz mag er kackbraun …«
    Da knurrte er wie ein wütender Bär, stürmte auf mich los und ließ die Klinge kraftvoll auf meinen Kopf herabsausen. Ich glaubte, meine Chance erkannt zu haben, wich dem wuchtigen Hieb aus und zielte mit der Rückhand auf seinen ausgestreckten Arm. Mein Schwert verfehlte ihn. Das war natürlich eine Finte gewesen, meine Klinge kam seinem Arm nicht einmal gefährlich nahe. Doch ich hatte dadurch ein wenig die Balance verloren, und ehe ich wusste, wie mir geschah, krachte Johns Schild mit betäubender Wucht gegen meinen Schwertarm und meine Seite. Ich wurde hoch in die Luft geschleudert, sah die Gesichter der Zuschauer um mich herumwirbeln, und der liebe Gott legte mich sacht auf das Gras nieder … doch dann schoss die harte Welt mir entgegen und prallte in meinen Rücken. Ich hörte ein Geräusch wie von tosender Brandung und stellte zu meinem Entsetzen fest, dass ich nicht atmen konnte. Meine Lunge versagte mir den Dienst, ich ertrank auf dem festen, trockenen Land.
    »Fehlt dir auch nichts, Bürschlein?«, fragte ein riesiger Kopf mit strohblondem Haar darauf, der direkt über mir erschien. Er verdunkelte beinahe die Sonne. Ich bekam keine Luft und konnte nur leicht den Kopf schütteln. »Das«, fuhr der Hüne fort, »ist auch eine Möglichkeit, den Schild einzusetzen. Denk daran.« Eine riesenhafte Hand kam auf mich zu, eine Faust packte mich am Kettenhemd und zerrte mich hoch. »Hast du genug?«, fragte John, als ich auf wackeligen Beinen umhertaumelte, um Schwert und Dolch aufzuheben.
    »Keineswegs«, antwortete ich, doch ich schwankte im Stehen, verlor immer wieder das Gleichgewicht und lief im Kreis herum. »Gib alles, John, du Ar… – Afsch… – Arschf…« Urplötzlich übergab ich mich. Ein einziges mächtiges Würgen, und ein Schwall halbverdauten Essens platschte auf die grüne Wiese.
    »Wenn das die Waffe Eurer Wahl ist«, sagte John und wies auf die stinkende Lache, »ergebe ich mich, o edler Ritter. Ihr habt mich besiegt.« Damit verneigte er sich tief, unter johlendem Jubel der Männer.
    Eine große Gestalt mit blassblondem Haar und zerfurchtem Gesicht bahnte sich einen Weg durch die Menge und kam auf mich zu. »Dale«, sagte Sir James de Brus, »Lord Locksley wünscht Euch in seinem Kontor zu sehen. Sofern Ihr abkömmlich seid …« Er blickte hochnäsig auf mich herab, wie ich da schwankend vor ihm stand: verschwitzt, keuchend, gelblichen Schleim an den Lippen. Er schnaubte einmal und wandte sich ab.
    Auf dem Weg hinauf zur Festung kam ich wieder zu Atem, doch mein rechter Unterarm und die Rippen schmerzten von dem gewaltigen Hieb, den John mir versetzt hatte. Bis ich jedoch den Burghof erreichte, war mein Kopf wieder klar, und ich dachte an meinen nächsten Übungskampf mit John. Ich wusste auch schon genau, wie ich ihn schlagen konnte …
    Robins Kontor, die Schatzkammer, in der er sein Silber verwahrte, war ein solides Gebäude neben der großen Halle. Ich klopfte an die Tür, wurde hereingebeten und fand Robin an einem großen Tisch vor. Der Tisch war mit einem schwarz-weiß karierten Tuch bedeckt, auf dem er sein Vermögen verwaltete. Farbige Steinchen auf verschiedenen Quadraten des Tuchs standen für unterschiedliche Summen. Der Raum war spärlich erleuchtet, weil die schmalen Fenster kaum Licht hereinließen, und vor Robin auf dem Tisch stand eine Kerze. Mit halb zorniger, halb

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