Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
Vom Netzwerk:
verwirrter Miene spähte er bald forschend in einige Pergamente, die er mit einer Faust gepackt hielt, bald funkelte er wieder die Steinchen auf dem karierten Tuch an.
    »Ich verstehe das nicht«, sagte er. »Das hier kann nicht stimmen … Wenn doch nur Hugh da wäre, so könnte er sich darum kümmern …« Dann verstummte er abrupt, als hätte er sich auf die Zunge gebissen.
    Ich wusste, warum: Sein älterer Bruder Hugh war einst seine rechte Hand gewesen, sein Stellvertreter, Berater, Meisterspion, und er hatte das Geld von Robins Bande verwaltet, als sie noch Geächtete gewesen waren. Doch Hugh war tot.
    Robin ließ die Pergamente angewidert auf den Tisch fallen. »Ich werde daraus einfach nicht schlau«, sagte er, »aber ich kann dir auf sehr viel einfachere Weise zeigen, dass wir in großen Schwierigkeiten stecken. Geh zu der großen Truhe dort drüben und öffne sie.«
    Am anderen Ende des Raums stand eine riesige eisenbeschlagene Truhe. In sorgloseren Zeiten hatte Robin darin seinen Schatz in Silber aufbewahrt. Dieser stete Geldstrom speiste sich aus Überfällen auf Reisende im Sherwood, aus den Zahlungen von Dörfern, die sich damit Robins Schutz erkauften, und Tributen von Freunden, Rivalen, sogar Feinden, die ihn als Richter anriefen. All das Silber war in diese riesige Eichenholzkiste mit ihren soliden Eisenbändern und -beschlägen geflossen, bis sie überzulaufen drohte.
    Ich zögerte – in unseren Tagen als Gesetzlose war es bei Todesstrafe verboten gewesen, die Truhe zu berühren. »Nur zu«, sagte Robin ein wenig gereizt, als er mich zaudern sah. »Mach sie auf. Du hast meine Erlaubnis.«
    Ich drehte mit einiger Mühe den Schlüssel im Schloss und schob den Riegel auf. Dann hob ich den schweren Eichendeckel an. Ich schaute hinein: Die Truhe war leer, nur eine Handvoll Silberpennys blinkten am hölzernen Grund. Das Geld war weg.

Kapitel 3
    I ch starrte Robin fassungslos an. »Es ist gestohlen worden«, stieß ich hervor. »Wer würde es wagen …? Und wie konnte er …?«
    »Das Geld ist nicht gestohlen worden, Alan, zumindest glaube ich das nicht«, unterbrach Robin mich. »Sondern ausgegeben. Ich habe es ausgegeben. Ich habe ein fürstliches Lösegeld bezahlt – buchstäblich, könnte man sagen –, damit wir alle begnadigt wurden, und die Vorbereitungen für den Kriegszug nach Outremer waren nicht eben billig. Die Locksley-Pächter zahlen hauptsächlich in Naturalien, und da wir eine ganze Armee satt zu bekommen haben … Nein, Alan, ich habe einfach mehr ausgegeben, als ich hätte ausgeben dürfen. Also stecken wir in Schwierigkeiten. Der König wünscht, dass wir mit unserer gesamten Streitmacht im Juli in Lyon zu ihm stoßen – das stand in seinem Brief –, und ich muss vierhundert Bewaffnete, zweihundert Pferde und ganze Berge von Ausrüstung, Vorräten, Waffen und Pferdefutter nach Frankreich verschiffen. Der König hat zwar versprochen, mich dafür zu entschädigen, dass ich ihm kampfbereite Männer stelle, doch von seinem Silber habe ich bisher nichts gesehen. Und wie ich Könige kenne, werde ich auch nichts davon zu Gesicht bekommen, ehe wir nicht durch die zerstörten Stadttore nach Jerusalem einziehen.« Er hielt inne und überlegte kurz. Dann sagte er: »Wir brauchen die Juden, Alan. Wir brauchen Reuben.«
     
    Eine Stunde später waren Robin und ich zu Pferde unterwegs gen Norden, nach York. Wir ritten schnell und nur zu zweit, ohne weitere Männer als Geleitschutz. Das war ein sehr ungewöhnliches Verhalten für einen bedeutenden Mann, und recht gefährlich: Robin hatte zwischen Sheffield und York eine Menge Feinde, die sich sehr gefreut hätten, wenn er ihnen in die Hände fiele. Er war zwar kein Geächteter mehr, doch da der König außer Landes weilte, hätte jeder gierige kleine Baron ihn festsetzen können, um Lösegeld zu erpressen. Und dann war da noch der Preis, den Murdac auf Robins Kopf ausgesetzt hatte.
    »Ich will mich nicht mit einem Rattenschwanz von Dienern und Bewaffneten herumschlagen müssen«, erklärte Robin, als ich meine Besorgnis zum Ausdruck brachte, weil er allein reisen wollte. »Und außerdem nehme ich dich mit, damit du auf mich aufpasst«, fügte er grinsend hinzu. »Bist du dieser Aufgabe vielleicht nicht gewachsen?«
    Ich sah ihn stirnrunzelnd an, denn ich wusste, weshalb er ohne Gefolge reisen wollte: Niemand sollte wissen, dass er kein Geld mehr hatte. Er wollte Reuben besuchen, einen alten, verlässlichen Freund, um sich mit seiner

Weitere Kostenlose Bücher