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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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waren offenbar unsicher, was sie tun sollten. Hinter uns brannte der Turm jetzt unübersehbar: Flammen leckten gierig an den zerschmetterten Wänden, schwarzer Qualm quoll empor. Wir stellten für die Waffenknechte keine ernsthafte Bedrohung dar, und sie hätten uns zumindest auf der Stelle gefangen nehmen müssen, doch Robins Auftreten und sein vornehmes Gebaren sorgten dafür, dass sie respektvoll Abstand hielten. Hinter den Soldaten konnte ich Stadtbewohner in einfachen braunen Kitteln sehen. Sie strömten aus den Gebäuden um den Burghof und rieben sich schläfrig die Augen. Und dann sank mir der Mut. Von Sir John Marshal, dem es als Sheriff von Yorkshire oblag, im Namen des Königs den Landfrieden zu wahren, war nichts zu sehen. Stattdessen entdeckte ich einen anderen Ritter, groß und mit einer weißen Haarsträhne über der Stirn, der auf ein Pferd stieg, ein Schwert zog und zu uns herübertrabte. Die Bürger von York folgten ihm nach, und immer mehr von ihnen kamen aus ihren Löchern gekrochen wie die Latrinenratten, die sie waren.
    Sir Richard Malbête vergeudete keine Zeit. »Worauf wartet ihr?«, schrie er die Soldaten an, als er auf zwanzig Schritt herangekommen war. »Packt die Juden!«
    Ein Soldat streckte zögerlich die Hand nach Robins Zügel aus, doch mein Herr zog den Kopf seines Pferdes zur Seite. Jemand in der Menge brüllte: »Tötet die Juden!«, und viele Stimmen griffen den Ruf auf. Plötzlich befanden wir uns mitten in einer wahrhaftigen Schlacht.
    »Zum Tor!«, rief Robin, zog sein Schwert und hieb mit Wucht nach dem Soldaten, der noch immer versuchte, sein Pferd festzuhalten. Ein Mann packte mich am Bein, und ich schüttelte ihn ab und trat ihm meinen Stiefel ins Gesicht. Auch ich hatte blankgezogen, den Dolch in der linken, das Schwert in der rechten Hand, und die Zügel um den Sattelknauf gewickelt. Mit der flachen Schwertklinge versetzte ich Ruths Pferd einen Schlag aufs Hinterteil, so dass es sich aufbäumte und einen Bewaffneten beiseitestieß, der Ruth um die Taille gepackt hatte und versuchte, sie aus dem Sattel zu ziehen. Die Pferde der anderen sprengten los, glücklicherweise in Richtung des Burgtors, und ich stürmte Ruth hinterher, wobei ich dem Soldaten noch das Schwert auf den kettengepanzerten Arm krachen ließ. Seine Kameraden rannten von allen Seiten auf mich zu, und ich hieb und trat um mich, schlug nach Gesichtern und Armen, bis ich mir ein wenig Bewegungsfreiheit verschafft hatte. Doch es eilten einfach zu viele Soldaten herbei. Einer von ihnen griff mich unklugerweise von hinten an. Ich gab Ghost das Zeichen, das ich ihm so geduldig für die Schlacht beigebracht hatte, und er schlug mit beiden Hinterbeinen aus. Mit einem fürchterlichen Knacken mehrerer Knochen flog der Mann rücklings durch die Luft. Sein Brustkorb war zerschmettert.
    Ich machte einen weiteren Gegner mit dem Schwert nieder, stach dem nächsten meinen Dolch in den Rücken, und die gute spanische Klinge tat das, wozu sie geschaffen war – mit Leichtigkeit durchdrang sie die Glieder seines Kettenhemdes. Von dem jüdischen Ehepaar und ihrem Kind war nichts mehr zu sehen. Der einzige Hinweis auf ihren Verbleib war eine Gruppe von Soldaten, die mit ihren Schwertern immer wieder auf ein Häuflein zappelnden, blutgetränkten Stoff einstachen. Ich wandte den Blick ab.
    Reuben saß noch im Sattel und hieb mit seinem tödlichen Säbel um sich, und seine Gegner taumelten mit klaffenden Wunden an Kopf und Gesicht rückwärts. Robin hatte sich bereits aus dem Getümmel herausgekämpft und das Tor halb erreicht, als ich sah, wie er zurückblickte. Für den Fall, dass eine solche Situation auftreten sollte, hatten wir vereinbart, dass jeder von uns nur auf sich selbst schauen sollte. Doch er zügelte sein Pferd und starrte Reuben an, der noch immer von Soldaten und Bürgern umringt war, die mit Sensen und Harken fuchtelten und nach seinem jüdischen Blut schrien. Dann wandte Robin sich nach links, und ich folgte seinem Blick. Meine bezaubernde Freundin Ruth wurde von grapschenden Händen von ihrem Pferd gezerrt. Ich kreuzte die Klinge mit einem Soldaten, schlug ihn nieder und sah dann wieder nach Robin. Er war näher bei Ruth als bei Reuben, die nun beide in größter Not waren, doch – und diese Augenblicke werde ich mein Leben lang nicht vergessen – er riss sein Pferd herum, reckte das Schwert und stürzte sich wieder in den Kampf … um Reuben zu retten. Ich stieß einen Wutschrei aus, schleuderte einen Mann

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