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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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nicht einer unter uns, der nicht stolz darauf war, zu dieser Truppe zu gehören. Mitgerissen von dem Trubel um unseren Abschied, hatte ich vorübergehend meine Wut auf Robin vergessen. Die Gedanken an Ruth verblassten rasch, und ich ritt mit dem herrlichen Gefühl, eine gewaltige, aufregende Reise begonnen zu haben, hinter ihm und Sir James einher.
    Nur einer teilte die Freude nicht. Neben mir ritt Reuben. Seit den schrecklichen Tagen in York Castle schien er zehn Jahre gealtert zu sein. Er war erst Mitte dreißig, doch um ehrlich zu sein, sah er schon fast aus wie ein alter Mann. Frische, tiefe Kummerfalten hatten sich in sein schmales braunes Gesicht gegraben. Robin hatte ihn dazu überredet, uns als Schatzmeister und Leibarzt auf diese große Mission ins Heilige Land zu begleiten. Reuben hatte sich einverstanden erklärt, sich um die finanziellen Belange von Robins Armee und um die Gesundheit meines Herrn zu kümmern, vielleicht, weil er zu niedergeschlagen war, um mit Robin zu streiten. Mit matter Stimme vertraute er mir an, dass ihn jetzt, da seine Tochter tot war, nichts mehr in England hielt und er sich danach sehnte, seine Wüstenheimat noch einmal zu sehen, ehe er zu alt für diese Reise wurde. Inzwischen sprach er kaum mehr ein Wort, und als ich ihm an jenem Frühlingsmorgen ins Gesicht sah und die rot geränderten Augen bemerkte, wurde mir klar, dass er wieder einmal geweint hatte. Mich plagten die alten Schuldgefühle.
    In Kirkton ließen wir Goody, Marie-Anne und Robins neugeborenen Sohn und Erben Hugh zurück. Die Countess of Locksley hatte das Kind zwei Wochen vor unserer Abreise geboren. Einen ganzen Tag lang hatten die Wehen gedauert. Goody, eine Magd und die weise Alte aus dem Dorf durften bei ihr bleiben, und nur hin und wieder drang ein unterdrücktes Stöhnen und der Ruf nach mehr heißem Wasser aus dem Privatgemach hinaus in die Halle.
    Robin strahlte währenddessen eiskalte Ruhe aus, wie er es immer tat, wenn die Gefahr bestand, dass er von starken Gefühlen überwältigt werden könnte. Stundenlang wartete er in der Halle. Er saß auf einem großen, prachtvoll geschnitzten Stuhl, der beinahe einem Thron glich, las eine Schriftrolle mit Ritterepen und rief mich hin und wieder zu sich, um sich etwas vorsingen zu lassen oder eine belanglose Unterhaltung mit mir zu führen. Er aß und trank kaum etwas und rührte sich nicht von der Stelle, bis Goody durch die Tür des Privatgemachs platzte und mit strahlenden Augen und feuerrotem Gesicht rief: »Es ist ein Junge, Robin, ein gesunder Junge. Oh, komm und sieh ihn dir an. Komm mit. Er ist wunderschön.«
    Robins Sohn war ein kräftiger Junge mit hellblauen Augen, pechschwarzem Haar und dem zerknautschten Gesicht eines Äffchens. Ich fand den kleinen Hugh alles andere als wunderschön und wunderte mich zunächst über sein Aussehen: Robin hatte hellbraunes Haar, Marie kastanienbraune Locken. Doch Goody erklärte mir das, als wir einen Tag später zusammen an der Wiege in Robins und Marie-Annes Gemach standen.
    »Ach, Alan, ihr Männer wisst rein gar nichts über kleine Kinder« – dies aus dem Mund einer zwölfjährigen Jungfer –, »manche kommen einfach mit schwarzem Haar zur Welt. Ich auch, hat meine Mutter mir jedenfalls erzählt. Und schau mich jetzt an.« Sie drehte sich vor mir im Kreis, und ihr typisch sachsenblondes Haar, das in zwei Zöpfen ihre rosigen Wangen einrahmte, schwang hoch durch die Luft.
    Ich streckte die Hand aus und schnappte mir einen Zopf, als er an mir vorbeisauste. Er hatte die Farbe von gesponnenem Gold, fühlte sich aber so weich an wie Daunen. Goody entriss mir den Zopf. »Ich habe anschauen gesagt, nicht anfassen.« Auf einmal gab sie sich ganz geschäftig. »Und jetzt raus mit dir, Alan, sonst bist du nur im Weg. Wir müssen hier gründlich sauber machen für den Kleinen.« Damit scheuchte sie mich barsch hinaus wie eine Matrone einen ungebärdigen Schuljungen.
     
    Als Teil einer großen Armee zu reisen ist eine ganz andere Erfahrung, als allein oder mit einer kleinen Gruppe unterwegs zu sein, wie ich es bisher gewohnt war. Wir verbreiteten ein Gefühl der Bedrohung, das sich selbst in unserem eigenen Land nicht zerstreuen ließ. In den friedvollen Tälern flohen die Schäfer mit ihren Herden vor uns, Dorfbewohner verriegelten die Türen und Fensterläden, wenn wir kamen; selbst im friedlichen Süden Englands. Es war gar nicht so lange her – Großväter konnten sich noch gut daran erinnern –, dass während

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