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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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der anarchischen Zeit des Erbfolgekriegs zwischen König Stephen und Maud Plantagenet bewaffnete Banden plündernd durchs Land gezogen waren. Und die ländliche Bevölkerung vergisst nicht so schnell.
    Doch wir plünderten nicht etwa unsere eigenen Leute aus. Wir hatten reichlich Nahrungsvorräte, gekauft mit dem Silber von Reubens Freunden, und jede Nacht, wenn wir auf einem brachliegenden Feld oder in einem Gemeindewald unser Lager aufschlugen, schlachteten wir ein paar Tiere, aßen gebratenen Hammel und ließen es uns wohl sein. Meine Musik war sehr gefragt. Fast jeden Abend bat man mich, für mein Abendessen zu singen und zu spielen, und ich tat es mit Freuden. Hauptsächlich sang ich die alten Volkslieder – amüsante Verse über untreue Ehemänner und ihre zornigen Frauen, Lieder über den Bauern und sein Vieh, oder Geschichten von großen Schlachten, die König Artus und seine edlen Ritter vor langer Zeit geschlagen hatten. Die Cansons und Sirvantes, die Minnelieder und satirischen Gedichte, die ich sonst in den Hallen des Adels vortrug, waren bei den derben Soldaten weniger beliebt. Hin und wieder rief Robin seine Kommandanten zusammen, um gemeinsam zu essen und die kommenden Tage oder Wochen zu planen. Am Ende dieser Versammlungen erfreute ich meine Zuhörer dann mit anspruchsvolleren musikalischen Darbietungen. Auf ein Stück, das ich damals gerade neu komponiert hatte, war ich besonders stolz. Das Lied erzählt von einer prächtigen goldenen Fibel mit einem Edelstein, deren Nadel in Form eines Schwertes gearbeitet ist. Die Fibel ist in die edle Dame verliebt, deren Busen sie schmückt und gegen die Berührung anderer Bewunderer verteidigt. Aber natürlich kann es keine wahre Liebe geben zwischen einem Schmuckstück, so schön es auch sei, und einer vornehmen Dame. Die Fibel kann ihrer Herrin immer nur dienen, sie niemals besitzen, doch mit dieser Rolle ist das Schmuckstück zufrieden. Am tragischen Ende der Canson wird die Fibel von der Dame weggeworfen, weil sie des Schmuckstücks überdrüssig geworden ist, und der funkelnde Edelstein liegt fortan in einem tiefen, schlammigen Graben und wird bis zum Jüngsten Tag an seine Liebste denken.
    Man könnte meinen, dass meine Stimmung ganz besonders düster war, als ich dieses Lied über sprechenden Schmuck und tragische Liebe verfasste, doch tatsächlich war ich sehr zuversichtlich gestimmt. Mein Verhältnis zu Robin war wieder mehr oder weniger normal. Ich hatte beschlossen, ihm zu vergeben – ich sagte mir, dass es mein erstes Streben sein müsse, ein treuer Vasall zu sein und alle seine Entscheidungen zu unterstützen, ob ich damit einverstanden war oder nicht. Und ich genoss die Reise mit den anderen Hauptmännern und Vintenars, mit Ausnahme von James de Brus. Aber auch das war nicht weiter schwierig: Ich begegnete dem Schotten einfach höflich und distanziert, und er mir ebenfalls.
    Außerdem hatte ich neuerdings einen Leibdiener, weshalb ich mir richtig herrschaftlich vorkam. William – der Bursche, der mir geholfen hatte, Sir Ralph Murdac den Rubin zu stehlen – war aus Nottingham Castle zu uns gestoßen. Der treue Junge hatte uns durch irgendein geheimes Netzwerk von Robins Spionen regelmäßig über Murdacs Aktivitäten berichtet. Als Belohnung hatten wir ihn auf unserem Marsch gen Süden in Nottingham abgeholt, und jetzt war er mein Diener. Er war ein gewissenhafter Bursche, flink und beflissen, sehr intelligent, wenn er auch leicht stotterte, und er verstand es, meine Bedürfnisse vorauszusehen. Er hielt meine Vielle aus Apfelholz und den Rosshaar-Bogen, kostbare Geschenke von meinem früheren musikalischen Mentor Bernard, stets glänzend poliert und war immer zur Stelle, wenn es etwas zu besorgen gab. Aber er war ein ernster Junge, der nur selten lächelte und nie so ausgelassene Späße trieb, wie ich es in seinem Alter getan hatte. Dennoch mochte ich ihn und war froh über seine Dienste.
    Die einzige Wolke an meinem blauen Himmel war die Tatsache, dass Tuck uns bei diesem grandiosen Abenteuer nicht begleitete. Das war teils eine Folge von Williams Berichten: Murdac hatte die Belohnung von einhundert Pfund, die er auf Robins Kopf ausgesetzt hatte, offenbar erneut bekanntmachen lassen. Deshalb hatte Robin Tuck gebeten, auf Kirkton Castle zu bleiben, um mit seinen beiden gewaltigen, für den Kampf abgerichteten Wolfshunden Gog und Magog Marie-Anne und das Baby zu beschützen. Diese mächtigen Bestien konnten einem Mann so leicht den Arm

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