Der Kreuzfahrer
abreißen wie ich einem gekochten Huhn den Schenkel, doch zu Tucks Freunden waren sie so sanftmütig wie zwei Lämmchen. Robin hatte außerdem zwanzig Bogenschützen auf der Festung zurückgelassen, zehn Mann Kavallerie und zehn seiner dienstältesten Spießträger. Das genügte zwar nicht, um im Fall eines Angriffs die gesamte Festung zu verteidigen, doch wie ich in York gelernt hatte, waren das genug Männer, um den Bergfried zu halten.
Statt meines Freundes, des fröhlichen, kriegerischen Mönches, begleitete uns also Pater Simon, der Priester der St.-Nicholas-Kirche in Kirkton – ein Mann, den ich nicht besonders mochte. Er schien ohne Kinn zur Welt gekommen zu sein, der Mund ging nahtlos in den Hals über, beinahe so, als hätte jemand seinen Unterkiefer entfernt. Pater Simon sprach jeden Morgen, ehe wir losmarschierten, kurze Gebete, in miserablem Latein genuschelt und völlig unverständlich für die Männer. Sonntags sang er die heilige Messe für die ganze Armee, und zwar furchtbar schief, möchte ich hinzufügen. Ich gewann den deutlichen Eindruck, dass er Robin nicht leiden konnte; ja, zuweilen bildete ich mir ein, dass er Robin hasste, obwohl er wie jeder vernünftige Mensch, der noch ein Weilchen auf Erden wandeln wollte, meinen Herrn fürchtete und respektvoll behandelte.
Ich glaubte zu wissen, warum der Priester so fühlte. Viele der Männer wussten, dass Robin während seiner Zeit als Gesetzloser an heidnischen Ritualen zu Ehren der Muttergöttin teilgenommen hatte. Und obwohl er jetzt dem wahren Glauben an den auferstandenen Christus seinen Tribut zollte, waren seine früheren teuflischen Umtriebe nicht vergessen. Was auch immer Robin von Pater Simon halten oder woran er im Herzen glauben mochte, wir befanden uns auf einer heiligen Mission zum Geburtsort unseres Herrn, und es wäre unvorstellbar gewesen, ohne mindestens einen Priester zu reisen. Also kam der kinnlose Geistliche mit.
Eines muss ich Pater Simon zugutehalten: Er hielt sich nicht für etwas Besseres als die Männer, wie manche Priester es gern tun. Er kümmerte sich einfach um die ihm zugewiesenen Aufgaben. Ehe wir in Southampton die drei großen Handelsschiffe bestiegen, bestand Pater Simon darauf, die Schiffe zu segnen, um uns vor den Gefahren des Meeres zu schützen. Und seine Gebete wurden offenbar erhört. Die Überfahrt verlief glatt und ohne Zwischenfälle, und einen Tag und eine Nacht später gingen wir in Honfleur, König Richards Hafen an der Mündung der Seine in der Normandie, an Land.
Ich hatte England noch nie verlassen und war sehr erstaunt darüber, dass es in der Normandie fast genauso aussah wie in meinem Heimatland. Vielleicht hatte ich erwartet, dass das Gras blau und der Himmel grün sein würde, ich weiß auch nicht so recht. Doch der Eindruck der Vertrautheit war verblüffend. Die Felder und Wiesen sahen so aus wie daheim, die Häuser waren sehr ähnlich, und bis die Leute den Mund aufmachten und Französisch sprachen, hätte man sie leicht für gute Bürger Englands halten können.
Während unseres Marsches südwärts durch die normannische Landschaft stellte sich heraus, dass gewisse Elemente in unserer Armee – hauptsächlich solche, die früher Geächtete gewesen waren – meinten, die französischen Bauern seien dazu da, uns umsonst mit Speis und Trank zu bewirten. Robin war anderer Ansicht und fest entschlossen, strenge Disziplin zu wahren. Dieses Land sei das Erbe unseres Königs, erklärte er, und wir durften es nicht plündern. Little John ertappte am ersten Tag auf normannischem Boden zwei Lanzenreiter dabei, wie sie ein Huhn stahlen, und ließ sie auf der Stelle hängen. Robin rief die Männer zusammen und hielt ihnen eine resolute Rede direkt unter den baumelnden Stiefeln der Diebe.
»Ihr haltet mich für zu hart?«, fragte er die vierhundert zornigen Männer, die vor ihm versammelt waren. Er sprach mit seiner lauten, weithin hörbaren Schlachtenstimme. »Ihr haltet mich für ungerecht? Das schert mich einen feuchten Dreck. Kein Mann unter meinem Befehl stiehlt auch nur einen Penny, schändet eine Kirche oder liegt bei einer Frau, die nicht damit einverstanden ist – außer, ich habe es ausdrücklich erlaubt. Ich werde jeden Bastard, der so etwas tut, am nächsten Baum aufknüpfen. Kein Gericht, keine Gnade, nur ein letzter Tanz am Strick. Ist das klar?«
Ein paar Männer murrten, doch sie wussten, dass Disziplin wichtig war, und die ehemaligen Gesetzlosen unter ihnen wussten obendrein,
Weitere Kostenlose Bücher