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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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machen. Die Armee würde zerfallen, Robin müsste König Richard enttäuschen, nein, eigentlich sogar dessen Befehl missachten. Er würde in Ungnade fallen und womöglich für diese Vernachlässigung seiner Pflicht wieder für vogelfrei erklärt werden. Nein, so wie du die Szene beschreibst, umgeben von zahllosen Feinden, die ihm nur noch Augenblicke Zeit ließen – da war es nur zu erwarten, dass er Reuben rettet …«
    Starr blickte ich zu Boden. Tuck schwieg eine Weile und sagte dann: »Vergiss nicht: Selbst wenn wir ihn nicht erkennen oder verstehen können, der allmächtige Gott hat stets einen Plan, Alan. Vielleicht musste dieses arme Mädchen sterben, damit Robin seine Männer ins Heilige Land führen kann, um Jerusalem zu befreien.«
    Ich sah ein, dass Tuck recht haben könnte, wollte es aber nicht zugeben. Und die Wut lag mir immer noch wie ein Knoten im Magen. »Sag mir die Wahrheit, Tuck«, bat ich schließlich. »Wird unser Herr Jesus Christus Ruth im Himmel aufnehmen? Sie war doch eine unschuldige Seele, oder?«
    Tuck seufzte, lang und leise wie der letzte Atemzug eines Sterbenden. Dann hob er den Kopf, und seine gütigen nussbraunen Augen blickten in meine. »Ich fürchte, nein«, sagte er schließlich. »Sie war Jüdin, und wie Unser Herr uns gelehrt hat, kann man nur durch Seine Gnade in den Himmel gelangen.«
    Ich wandte den Blick von Tuck ab, denn Tränen brannten mir in den Augen. Dann merkte ich, dass ich ein riesiges Gemälde von Christus am Kreuz auf der Kirchenwand anstarrte, eine wunderschöne Darstellung des Heilands, der für unsere Sünden gelitten hatte und gestorben war. Ich war Tuck dankbar dafür, dass er mich nicht belogen hatte. Doch dann fuhr er zu meiner Überraschung fort: »Aber Gott ist unergründlich und allbarmherzig, Alan, und seine Vergebung grenzenlos. Vielleicht hält er es in seiner Weisheit doch für richtig, sie in sein Reich aufzunehmen.«
    Tucks Worte trösteten mich. Jesus predigte Liebe – wie könnte er dann seine Liebe einem unschuldigen Menschenkind versagen, abgeschlachtet von Unmenschen, die vom Teufel besessen waren?
     
    Wir verließen Kirkton am letzten Tag des Aprils in Richtung Southampton, um uns in die Normandie einzuschiffen. Robin bildete die Spitze einer langen Zweierreihe von Reitern, einhundertzwei Mann insgesamt, jeder mit einer frisch brünierten Kettenrüstung und einem genieteten, flach geschlossenen Stahlhelm, einem großen, trapezförmigen Schild, einem Schwert und einer zwölf Fuß langen Lanze ausgerüstet. Neben Robin ritt Sir James de Brus, der Hauptmann der Kavallerie. Er machte wie üblich ein finsteres Gesicht, brummelte vor sich hin und verdrehte sich immer wieder im Sattel, um die Reihen der Berittenen zu überprüfen. Nach der Kavallerie kamen die Bogenschützen, einhundertfünfundachtzig Mann mit Langbögen, vollen Köchern und Kurzschwertern. Sie lachten und scherzten, schritten jedoch in der Frühlingssonne frisch aus. Sie waren Owains ganzer Stolz – er hatte die Männer wegen ihrer Kraft und ihres Geschicks mit dem Kriegsbogen ausgewählt. Unser ergrauter walisischer Schützenhauptmann prahlte gern damit, dass sie »einem Mann eine Ahlspitze aus hundert Schritt Entfernung zwischen die Augen jagen können und eine weitere in den Bauch, noch ehe er auf dem Boden aufgeschlagen ist«.
    Dahinter folgte der Tross, zehn große Wagen, die von schwerfälligen Ochsen gezogen wurden und absurd hoch mit Lebensmitteln, Wein, Bier, Zelten, Kleidung, Lederzeug und zusätzlichen Waffen beladen waren. Vier dieser Ochsenkarren transportierten nichts als Pfeilschäfte in Bündeln zu je einem Dutzend, hoch aufeinandergestapelt und fest auf den schwankenden Wagen verzurrt. Die Nachhut bildeten dreiundneunzig Spießträger in Lederrüstung unter dem Befehl von Little John. Sie hatten ihre sechzehn Fuß langen Spieße mit der breiten Spitze in Händen, scharfe kleine Äxte am Gürtel und die altmodischen Rundschilde auf dem Rücken. Sie waren für die Sicherheit des Trosses verantwortlich sowie für die Herde Schafe, unseren lebenden Proviant, und sie hatten Befehl, in ihrem eigenen Tempo zu marschieren, statt unbedingt mit dem Hauptteil von Robins Armee Schritt halten zu wollen.
    Wir waren in Hochstimmung: Dies war der ersehnte Beginn einer edlen Mission. Wir taten Gottes Werk mit der Aussicht auf Abenteuer, Ruhm, reiche Beute und willige Frauen, und der Gewissheit, dass jeder, der in der Schlacht starb, in den Himmel kommen würde. Es war

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