Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
Vom Netzwerk:
woher –, schnitt einen Streifen von Robins Hemd und wickelte ihn über dem Ellbogen fest um den Oberarm. Sacht drückte er Robin auf das Lager nieder und band den verletzten Arm locker am Gestell der Pritsche fest. Erst jetzt, da Robin mit kalkweißem Gesicht und nach unten gefesseltem Arm auf der Pritsche lag, begann Reuben, sehr vorsichtig die Bisswunden mit verdünntem Wein zu waschen.
    »Wirst du jetzt die Wunde aufschneiden und das Gift heraussaugen?«, fragte ich Reuben, vielleicht ein wenig sensationslustig. Ein alter Gesetzloser hatte mir einmal erzählt, das sei die einzige Möglichkeit, dem Opfer eines Schlangenbisses das Leben zu retten. Scherzhaft hatte er hinzugefügt, diese unfehlbare Heilmethode habe nur den einen Nachteil: Wenn man in den Hintern gebissen würde, wäre niemand bereit, einen zu retten.
    »Natürlich nicht«, fauchte Reuben. »Was für ein Unsinn! Er ist bereits verletzt, soll ich die Wunde vielleicht vergrößern und das Gift noch weiter verteilen? Und ganz gewiss will ich nichts davon im Mund haben. Bring mir nur mehr Verbände, Alan, und verschone mich mit deinen albernen Ratschlägen.«
    In diesem Moment wälzte Robin sich auf die Seite und erbrach sich heftig über den Rand seiner Pritsche, wobei er nur knapp den Arm verfehlte, den Reuben so vorsichtig wusch. Ich zog mich zurück, um saubere Verbände und etwas Weihwasser zu holen, hastig von Pater Simon gesegnet, das Robin trinken sollte.
    Als ich zurückkehrte, war Robin bewusstlos. Sein Gesicht war fahl, aber schweißnass, der Arm bläulich rot und unterhalb des Druckverbands gewaltig angeschwollen. Reuben saß neben ihm auf einem Schemel und trank gelassen einen Becher Wein.
    »Wird er es überleben?«, fragte ich Reuben, wobei ich mich bemühte, meine Stimme nicht zittrig klingen zu lassen.
    »Das nehme ich doch an«, sagte Reuben. »Allerdings wird er ein paar Tage lang sehr krank sein. Er ist jung und stark, und Ottern können zwar tödlich sein, doch für gewöhnlich sterben nur sehr alte, sehr junge oder schwache Menschen an ihrem Biss. Die interessantere Frage ist: Wie ist die Otter in sein Bett gekommen?«
    »Könnte sie hier hereingekrochen sein, um sich vor den vielen Menschen draußen zu verstecken, oder um zu schlafen?«, schlug ich vor, obgleich ich die Wahrheit schon kannte, ehe Reuben sie aussprach.
    »Kein wildes Tier, auch keine Schlange, wird sich freiwillig in ein Lager mit Hunderten Männern begeben, all diesen gestiefelten Füßen ausweichen und beschließen, in einem Bett zwei Fuß hoch über dem Boden ein Nickerchen zu machen«, war Reubens vernichtende Antwort. »Jemand hat sie dorthin gelegt. Die Frage lautet: Wer?«
    Über dieser Frage brüteten wir tagelang ergebnislos. Offensichtlich war das ein Mordanschlag gewesen, wenngleich ein ungeschickter, aber wer konnte dafür verantwortlich sein? Versuchte ein weiterer Bogenschütze, sich Ralph Murdacs hundert Pfund Silber zu holen? Fast jeder im Lager hatte Zugang zu Robins Zelt, tagtäglich gingen viele Leute ein und aus. Es wäre nicht weiter schwierig gewesen, unbemerkt eine schläfrige Otter aus einem Beutel zwischen Robins Decken gleiten zu lassen.
    Von da an postierte ich jede Nacht zwei Wachen vor Robins Zelt und behielt sie im Auge, um mich zu vergewissern, dass sie auch nicht einschliefen. Außerdem sagte ich ihnen, dass Little John sie bei lebendigem Leibe häuten würde, sollte ein Attentäter an ihnen vorbeigelangen. Das wäre kaum nötig gewesen, denn das ganze Lager war empört über diesen feigen Mordversuch, und ein ertappter Meuchler wäre binnen weniger Augenblicke von einem wütenden Mob in Stücke gehackt worden.
    Little John hatte das Kommando übernommen, und wir ließen nicht zu, dass Robins Bewusstlosigkeit seinen großen Marsch verzögerte. Er wurde einfach jeden Morgen mit starken Lederriemen an seine Pritsche geschnallt und von vier kräftigen Bogenschützen in der Mitte unserer Kolonne getragen. Er lag nur da, käsebleich und mit verbundenem Arm, und den ganzen ersten Tag über bildete ich mir ein, er sei tot und wir gäben seiner Totenbahre das letzte Geleit. Ich empfand einen unerwartet starken Stich der Trauer, einen körperlich spürbaren Schmerz in der Brust, und musste mich streng ermahnen, mich zusammenzureißen. Langsam besserte sich Robins Zustand, und nach zwei Tagen begann die Schwellung zurückzugehen.
    Als wir den Stadtrand von Lyon erreichten, war Robin wieder bei Bewusstsein, aber immer noch schwach wie ein

Weitere Kostenlose Bücher