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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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ihm gleich, dass sie hier und da ein paar Pennys verdiente, indem sie Geschichten erzählte und Soldaten aus der Hand las – er hielt sie für harmlos und tolerierte ihre Anwesenheit ebenso wie die anderer Frauen im Tross.
    Doch nach zwei Wochen Marsch durch Frankreich war Robin gezwungen, Härte zu beweisen. Will Scarlet wurde von Sir James de Brus als Dieb entlarvt. Schlimmer noch, er hatte etwas aus einer Kirche gestohlen. Das war reine Charakterschwäche: Will war schon immer ein geschickter Taschendieb und Einbrecher gewesen. Die Gesetzlosen hatten ihn als jungen Burschen dafür bewundert, wie verächtlich er die mächtigen Eisenschlösser anpackte, mit denen reiche Männer ihre Schatztruhen sicherten. Mit dem richtigen Werkzeug öffnete er jedes Schloss schneller als das Mieder einer Hure. Doch er war jetzt kein Gesetzloser mehr, er war ein heiliger Soldat Christi, ein Pilger und Kreuzfahrer, und Robin war bereit, seine Vorschriften mit brutalster Gewalt durchzusetzen.
    Will war für eine Patrouille von zwanzig Berittenen zuständig gewesen, einen Conroi, wie man diese Einheiten nannte. Doch ich wusste, dass er Schwierigkeiten mit dem Gehorsam seiner Männer gehabt hatte. Er war jünger als die meisten seines Trupps, und um ehrlich zu sein, war er zwar ein hervorragender Dieb, aber alles andere als ein hervorragender Soldat. Er konnte nicht einmal gut reiten. Offenbar waren die Männer bei einem Erkundungsritt auf eine leere Kirche gestoßen und hatten Will dazu aufgestachelt, das Schloss der Truhe zu knacken, in der das Kirchensilber aufbewahrt wurde. Eine große Dummheit, so etwas eine bloße Woche nach Robins Ankündigung zu wagen, vor allem, da Wills eigene Leute ihn später verraten und bei Sir James angeschwärzt hatten. Aber ich nehme an, Will wollte den Männern, die seinem Kommando unterstanden, einmal zeigen, dass auch er etwas besonders gut konnte.
    Tatsächlich gab ich im Stillen Robin die Schuld daran. Will Scarlet war nicht der Richtige, um einen Conroi von zwanzig harten, kampferprobten Reitersoldaten anzuführen, und das hätte Robin wissen müssen. Der junge Rotschopf – er war so alt wie ich, fünfzehn Sommer – hatte das Kommando als Belohnung dafür erhalten, dass er Robin während all der Jahre in Acht und Bann treu gedient hatte. Aber Will war auch ein Dummkopf: Erstens hatte er darauf vertraut, dass seine Männer Stillschweigen über ihr gemeinsames Verbrechen bewahren würden; zweitens hatte er geglaubt, indem er sich als guter Kamerad gab, würde er ihren Respekt erringen; und schließlich hatte er sich darauf verlassen, dass seine lange Freundschaft mit Robin ihn schützen würde. Er irrte sich in allen drei Punkten.
    Er wurde grob bis auf Brouche und Beinlinge ausgezogen und auf einer friedlichen Waldlichtung an einen Baum gebunden. Vor den Augen von Sir James, Robin und Wills Conroi zerfetzte Little John ihm mit der Pferdepeitsche den nackten Rücken. Obwohl sie alte Freunde waren, schlug Little John wütend zu – der Diebstahl aus einer Kirche bekümmerte ihn nicht allzu sehr, doch er duldete es nicht, dass sich irgendjemand über Robins Befehle hinwegsetzte.
    Will kreischte nach dem ersten Hieb, der wie ein fleischiges Klatschen über die Lichtung hallte. Bis die angeordnete Zahl von zwanzig Peitschenhieben erreicht war und das Blut zäh und dick über Wills zerfetzten weißen Rücken rann und seine Brouche tränkte, hatte er gnädigerweise das Bewusstsein verloren.
    Der Junge wurde losgebunden, und die seltsame Elise versorgte ihn, wusch ihm das Blut vom Rücken, schmierte ihn mit einer Salbe aus Gänsefett ein und verband ihn mit sauberem Leinen. Der ganze Zug durfte einen Tag lang pausieren. Ehe Wills Reiter gehen konnten, mussten sie jedoch noch Robin zuhören.
    »Ihr habt euch entehrt«, sagte er kalt, und seine Augen glitzerten in der Morgensonne wie eisiges Metall. »Ihr habt nicht nur aus einer Kirche gestohlen, entgegen meiner ausdrücklichen Anordnung, sondern ihr habt auch euren Hauptmann verraten – was in meinen Augen das wesentlich schlimmere Vergehen ist. Ich sollte jeden Einzelnen von euch hängen.« Die Kavalleristen blickten zu Boden, nestelten am Zaumzeug und den Mähnen ihrer Pferde herum, und die Scham stand ihnen ins Gesicht geschrieben. »Doch das werde ich nicht tun.« Das kollektive Aufatmen war bis zur anderen Seite der Lichtung zu hören, wo ich auf Ghost saß. »Stattdessen«, fuhr Robin fort, »habe ich entschieden, dass euer Conroi aufgelöst

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