Der Kreuzfahrer
ein Tuch zum Waschen. Sie schien entsetzliche Angst vor uns beiden zu haben, was ich nur verständlich fand. Aber William ging sehr sanft mit ihr um, er machte ihr vor, was sie tun sollte, und zeigte ihr, dass wir ihr nichts Böses wollten. Er war wirklich ein guter Junge, von Herzen freundlich und mir treu ergeben. Wir beide standen Wache vor der Zellentür und kamen uns sehr edel und ritterlich vor, während ich allerdings überlegte, was um alles in der Welt ich jetzt mit ihr tun sollte. Dabei versuchte ich verzweifelt, nicht an ihre festen, üppigen jungen Brüste unter diesem seidenen Wandbehang zu denken. Nachdem ich eine scheinbare Ewigkeit lang zugehört hatte, wie sie in meiner Zelle vor sich hin plätscherte und sang, kam mir ein genialer Einfall, und ich schickte William auf die Suche nach Reuben. Der war in Arabien aufgewachsen und würde sich gewiss in ihrer eigenen Sprache mit ihr verständigen können.
William kehrte alsbald mit dem Juden zurück – er hatte tatsächlich beim Würfelspiel gesessen, während ich in Messina nach ihm gesucht hatte, war aber gerührt von meinem Versuch, nach ihm zu sehen. Er klopfte an die Zellentür und trat ein. Eine Viertelstunde später kam er wieder heraus.
»Ich habe ihr gesagt, dass du zwar noch recht jung, aber schon ein großer christlicher Krieger aus dem Norden bist, und dass du mit dieser Armee in den Krieg in Outremer ziehst. Wenn sie dir brav gehorcht, habe ich ihr gesagt, wirst du ihr erlauben, dich als Dienerin dorthin zu begleiten. Du wirst sie mit Essen und Kleidung versorgen und sie beschützen, bis ihr das Heilige Land erreicht, und sie dann unversehrt ins Dorf ihres Vaters bringen. Sie hat sich mit alledem einverstanden erklärt und wartet nun darauf, einem so edlen Ritter ihre unverbrüchliche Treue zu beweisen.«
All das sagte er mit völlig ernster Miene, doch ich blickte finster zu ihm auf. »Aber wo soll sie schlafen?«, fragte ich. »Woher soll ich Kleidung und – Ihr wisst schon – andere Frauensachen bekommen …«
»Sie geht offenbar davon aus, dass sie bei dir schlafen wird. Das ist sie gewohnt, sie ist ein Freudenmädchen …«
»Unmöglich«, fuhr ich auf, straffte die Schultern und funkelte Reuben an. »Ich habe sie vor Vergewaltigern gerettet und aus einem würdelosen Dasein als Sklavin befreit. Jetzt, da sie in Sicherheit ist, werde ich doch nicht meine eigenen sündigen Bedürfnisse an ihr befriedigen.«
Was war ich doch damals für ein schwülstiger kleiner Wichtigtuer. Ehe ich ausgesprochen hatte, brach Reuben schon in Gelächter aus, kniff die braunen Augen zu, und Tränen liefen ihm über die Wangen. Er heulte vor Heiterkeit, hielt sich den Bauch und krümmte sich buchstäblich vor Lachen. Ich legte eine Hand an den Schwertgriff und trat einen Schritt auf ihn zu, und es gelang ihm gerade noch rechtzeitig, seine Belustigung zu zügeln und Blutvergießen zu verhindern.
»Selbstverständlich, junger Alan, selbstverständlich«, brachte er schließlich hervor und überspielte sein Lachen, indem er einen Hustenanfall vortäuschte. »Sie kann bei den anderen Frauen wohnen, wenn das dein Wunsch ist. Ich werde mit Elise darüber sprechen.« Kichernd und schniefend ging er unter Kopfschütteln davon, verfolgt von meinem zornigen Blick.
Bei den anderen Frauen wohnen – damit hatte Reuben die Ansammlung von Zelten im hintersten Bereich des Klosters gemeint. Darin waren die etwa zwei Dutzend Frauen untergebracht, die zu den Offizieren im Hauptquartier gehörten. Sie dienten als Köchinnen und Hausmädchen, Waschfrauen und Näherinnen, Mätressen und Huren, und Elise, die seltsame normannische Wahrsagerin, war ihre Anführerin. König Richards Ritter allerdings taten meist so, als existierten die Frauen gar nicht. Immerhin sollten wir uns um Reinheit bemühen, wie es sich für Pilger auf einer heiligen Reise gehörte.
Als ich schließlich die Zelle betrat, kniete Nur nieder und senkte unterwürfig den Blick. Sie war sauber gewaschen, das nasse Haar zu einem dicken Zopf geflochten, und sie trug ein fadenscheiniges altes Unterkleid, das ihr bis knapp über die Knie reichte. Dann schaute sie zu mir auf, und mich durchfuhr es wie ein Blitz. Der Blick ihrer tiefen, kohlschwarzen Augen bohrte sich in meine und sog mich mit hinein in ihre Seele. Ich versuchte, den Blickkontakt zu unterbrechen, konnte aber einfach nicht wegschauen. Ich betrachtete ihre dunkelroten Lippen, die hohen Wangenknochen, die entzückende Nase, den langen,
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