Der Kreuzritter - Aufbruch - Vägen till Jerusalem
Küchenabfall und in den Latrinen arbeiten lassen.
Wie leicht es Arn jetzt auch fiel, in seiner Isolation mit der Sünde des Diebstahls zurechtzukommen, einer Sünde, die er ohne Mühe aufrichtig bereuen konnte, so unmöglich war es ihm, überhaupt zu verstehen, dass es schlimmer als Diebstahl sein sollte, sich nach Birgite zu sehnen und von ihr zu träumen. Es gelang ihm auch jetzt nicht, davon abzulassen. Weder sein Rosshaarhemd und die Nachtkälte in der Zelle noch die harte Holzpritsche ohne Lammfell oder Wolldecke halfen. Wenn er wach dalag, sah er sie vor sich. Wenn es ihm schließlich gelang, einzuschlafen, träumte er von ihrem sommersprossigen Gesicht, ihren braunen Augen oder ihren nackten Füßen, die flink wie die eines Zickleins durch den Sand rannten; außerdem verhielt sich sein Körper schändlich, sobald er einschlief. Am Morgen, wenn einer der Brüder, ohne ein Wort zu sagen, ihm einen Eimer mit eiskaltem Wasser in die Zelle stellte, musste er zuallererst das Schändliche
hineinstecken, um die allzu offenkundige Sünde abzukühlen.
Und wenn er sich sammeln wollte, um sich stattdessen der Lektüre der Heiligen Schrift hinzugeben, kam es ihm vor, als führte ihn der Teufel persönlich gerade zu solchen Stellen, die er nicht lesen sollte. Er kannte sich in der Heiligen Schrift so gut aus, dass er sich bemühte, sie mit geschlossenen Augen irgendwo aufs Geratewohl aufzuschlagen. Dennoch blieb sein Blick auf Abschnitten wie dem folgenden aus dem Hohelied Salomos haften:
Denn Liebe ist stark wie der Tod,
und ihr Eifer ist fest wie die Hölle.
Ihre Glut ist feurig
und eine Flamme des Herrn,
dass auch viele Wasser nicht
mögen die Liebe auslöschen
noch die Ströme sie ertränken.
Wenn einer alles Gut in seinem
Hause um die Liebe geben wollte,
so gälte es alles nichts.
Wie sehr Arn sich auch bemühte, seine Kenntnisse darüber zu verwenden, wie Gottes Wort gelesen und gedeutet werden sollte, schaffte er es nicht, die Liebe zu einer Sünde zu machen. Diese Macht, die Gott Vater selbst als Segen der Menschen bezeichnete, die so stark war, dass ein Ozean sie nicht ertränken konnte, die kein Mensch, und mochte er auch noch so reich sein, für Silbermünzen kaufen konnte - wie konnte diese Macht, die so unmöglich zu bezwingen war wie der Tod, Sünde sein?
Als Arn in seiner zweiten Woche der Buße wieder sprechen durfte, nahm Pater Henri ihn sich streng vor. Nachdem
der Diebstahl des Lavendels schnell besprochen war, versuchte er, den überhitzten jungen Mann dazu zu bringen, endlich zu begreifen, was Liebe war. Hatte nicht sogar der heilige Bernhard das Ganze so beschrieben, dass es klar war wie Wasser?
»Der Mensch beginnt damit, sich um seiner selbst willen zu lieben. Der nächste Schritt in der Entwicklung besteht darin, dass der Mensch lernt, Gott zu lieben, jedoch immer noch um seiner selbst und nicht um Gottes willen. Dann versteht er allmählich, Gott wirklich zu lieben, und zwar nicht mehr um seiner selbst, sondern um Gottes willen. Und schließlich lernt der Mensch, den Menschen zu lieben, doch ausschließlich um Gottes willen.
Was bei diesem Entwicklungsvorgang geschieht, ist also Folgendes: Cupiditas , das Verlangen, das allem menschlichem Appetit zugrunde liegt, ist allmählich unter Kontrolle und kann zur caritas werden, sodass alle niedrigen Begierden beseitigt werden und die Liebe rein ist. All das ist doch elementar und einfach, nicht wahr?«
Arn musste widerwillig zugeben, dass es an und für sich elementar und einfach war. Er war ja wie fast alle anderen an der Vitae Schola mit sämtlichen Texten Bernhards von Clairvaux vertraut. Doch in Arns Augen musste es zwei Arten von Liebe geben.
Zwar liebte er Pater Henri, Bruder Guilbert, Bruder Lucien, Bruder Guy, Bruder Ludwig und all die anderen Brüder. Doch das konnte nicht die ganze Wahrheit sein, und plötzlich zitierte er, ohne sich beherrschen zu können, lange Abschnitte aus dem Hohelied Salomos und fragte dann:
»Was hat Gott also damit gemeint? Und worüber spricht Ovid in den Texten, die ich als kleiner Junge aus Versehen gelesen habe? Ist es nicht so, dass Ovid in mancherlei
Hinsicht verdächtig an das Wort Gottes erinnert?«
Nach seinem unbeherrschten Ausbruch senkte Arn beschämt den Kopf. Er hatte sich noch nie eine so ungehorsame Polemik gegen Pater Henri erlaubt und erwartete jetzt, mit weiteren zwei Wochen bei Wasser und Brot bestraft zu werden. Er hätte diese Buße überdies nicht als ungerecht empfunden, da er sich
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