Der Kreuzritter - Das Erbe - Guillou, J: Kreuzritter - Das Erbe - Arvet efter Arn
üben, mit denen sich Knut gegen den Hieb in die rechte Kniekehle zur Wehr gesetzt hatte. Knut war so von dem Gefühl begeistert, etwas ganz Neues zu lernen, dass er ebenso lange durchhielt wie Birger, obwohl er sich am meisten bewegen musste. Als sie sich endlich zum Mittagessen setzten und sich eine längere Pause gönnten, hatten sich ihre Zungen gelöst, obwohl Knut immer noch sehr empfindlich und schnell beleidigt war.
Deshalb verfinsterte sich seine Miene erneut, als Birger beim Bier über den offenkundigen Nachteil sprach, zu groß zu sein. Erst glaubte Knut, Birger würde scherzen. Er hatte immer geglaubt, dass alle zu großen Männern wie ihm aufschauten. Birger entschuldigte sich sofort und sagte, er habe nicht die Absicht zu spaßen, wenn es um ihre Arbeit gehe. Große Männer hätten vielleicht früher Vorteile gehabt, als Schwertklingen noch keine Kettenpanzer und Schilde hätten durchschlagen können. Doch in der heutigen Zeit der schärferen Waffen sei es schwerer geworden, Knie und Füße sowie Kopf und Arme zu schützen. Früher, da stumpfe Schwerter weder Arme noch Beine in Kettenpanzern hätten abtrennen können, seien vermutlich Größe und Kraft von entscheidender Bedeutung gewesen. Ein großer Mann habe damals Hiebe nach unten austeilen können, bis sein Widersacher nachgeben
musste. Das funktioniere jetzt nicht mehr. Ein Kampf ende mit einem abgeschlagenen Bein, und ohne Beine sei niemand mehr sonderlich tapfer.
Nachdem sie sich eine Stunde lang beim Bier ausgeruht hatten, führte Birger quälend deutlich vor, was er meinte. Indem er Knut zwang, sich abwechselnd weit oben und weit unten zu verteidigen, ermüdete er ihn und konnte bald überall einen Treffer landen.
An den folgenden Tagen wechselte Birger zwischen der rechten Kniekehle und Knuts linkem Schildarm ab. Er traf vorzugsweise die Armbeuge. Diese polsterte Knut besonders gut und versah sie mit einem roten Band. Er hatte aber dort trotzdem bald große Schmerzen. Anschließend wanderten Polsterung und Band zu Knuts linkem Knie, später an seinen Kopf, seine rechte Schulter und seinen Oberarm. Schritt für Schritt, ein Körperteil nach dem anderen, baute Birger Knuts Abwehr auf.
Birger war wie alle Forsviker, die seine Lehrer gewesen waren, der Meinung, das Wichtigste sei die Verteidigung. Wer nur angreifen könne, überlebe nicht viele Kämpfe. Abwehr war die Grundlage.
Angriff konnte aber auch Verteidigung sein. Manchmal handelte es sich um dieselben Bewegungen, und es hatte eigentlich keinen Sinn zu überlegen, ob ein gewisser Schlag das eine oder das andere sei. Birger war jedoch überzeugt davon, dass Knut in erster Linie seine Verteidigung schulen musste, da er von Natur aus stets angreifen wollte, wenn er eine Waffe in der Hand hielt. Viele blaue Flecken würden nötig sein, ihn zum Umdenken zu bewegen und ihm sein Ungestüm auszutreiben. Birger fand auch, dass Knut ein ganz anderes Schwert benötigte. Er zeichnete einige Vorschläge auf Pergament, versah sie mit Erklärungen und schickte die Pergamentrollen mit einem Flußkahn
nach Forsvik. Bereits nach wenigen Tagen trafen einige halbgeschmiedete Schwerter ein, die sie ausprobieren konnten. Knut war zunächst misstrauisch, da sein Übungsschwert dem ererbten Schwert entsprach, das angeblich dem Heiligen Erik gehört hatte und sein ganzer Stolz war.
Das spiele keine Rolle, fand Birger. Denn wenn Knut ein längeres und schmaleres Schwert benutze, das seinen Schwerpunkt weiter vorne habe, dann würde er mehr von seiner größeren Reichweite profitieren. Erstaunt stellte Knut bald fest, dass sich zwei der neuen Schwerter zu einem Teil seiner selbst zu verwandeln schienen. Sie stellten förmlich eine Verlängerung seines Armes dar. Es gelang ihm mehrmals hintereinander, dieselbe Stelle des Übungspfostens zu treffen, was mit seinem alten Schwert unmöglich gewesen wäre.
Bald besaß er zwei Übungsschwerter aus Forsvik. Auf Birgers Anraten bestellte er noch ein geschliffenes Schwert desselben Modells. Birger klagte im Scherz, dass er sich damit keinen Gefallen getan habe, da es ihm jetzt nicht mehr so leichtfiele, Knuts fürchterlichen Hieben auszuweichen.
Was Knut in der ersten Zeit nicht bewusst gewesen war, wurde ihm jetzt umso klarer. Er verwandelte sich in einen ganz neuen Schwertkämpfer, und damit verschwand auch sein unvernünftiger Hass gegen diesen Folkunger vollkommen.
Für Birger war diese Zeit sehr eintönig. Jeden Morgen hatte er die Zähne zusammenbeißen und
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