Der Kreuzritter - Das Erbe - Guillou, J: Kreuzritter - Das Erbe - Arvet efter Arn
Aber dieser Warnung schenkte niemand Gehör, da weder Birger noch Knut jemals eingestanden hätten, auch nur die geringste Angst zu haben.
Die erste Nacht im Wald verstrich ohne besondere Vorkommnisse. Die drei Männer, die schliefen, während der vierte am Feuer wachte, hielten vermutlich trotzdem ein Auge geöffnet.
In der dunkelsten Stunde der zweiten Nacht geschah etwas, woran sich Birger an ruhigen Wintertagen für den Rest seines Lebens deutlich erinnern würde, vor allem wegen der Angst, die er ausgestanden hatte.
Wie in der ersten Nacht war ihm das Einschlafen schwergefallen. Seine Gedanken wurden zwischen den vielen fantastischen Gestalten des Bösen, die im dunklen Wald existierten, und den exotischen Sitten, die in Svealand von Jungfern und Junkern bei Hochzeiten praktiziert wurden, hin- und hergerissen. Schlummerte er beinahe ein, wanderten seine Gedanken zu dem Dunklen und Schrecklichen. Dann zwang er sich dazu, an Hochzeitsfeste und schöne Jungfern zu denken. Wenn er aber wieder müde wurde und fast eingeschlafen war, genügte das heisere Bellen eines Fuchses in der Ferne, damit er wieder hellwach wurde und in dem Brunnen seiner schwärzesten Fantasien versank.
Seine gesamte Kindheit hindurch hatte er Geschichten von Waldgeistern, Trollen mit Goldschätzen und anderen Waldbewohnern gehört, die den Menschen ständig nach dem Leben trachteten. Mit Vorliebe raubten sie Bräute auf dem Weg zur Hochzeit, was in den Sagen so häufig vorkam, dass er es schon als Kind erstaunlich gefunden hatte, dass niemandem aus seiner Familie so etwas Furchtbares
zugestoßen war. Sein Vater Magnus hatte ihm das so erklärt, dass die Folkunger immer mit großem Gefolge zur Hochzeit ritten und die bösen Wesen natürlich auch den gesegneten Stahl fürchteten. Seine Mutter hatte erklärt, diese Waldwesen seien antichristliche Schöpfungen des Bösen. Deshalb hätten sie sich vor dem Klang der Kirchenglocken und Kirchenlieder, der ihnen verhasster sei als alles andere, in die nördlichsten Wälder geflüchtet. Sein Großvater Arn hatte erzählt, das Wesen des Bösen stecke eher in den Menschen und in den Gedanken der Menschen als in der sichtbaren Wirklichkeit. Daher hätten alle, die reinen Sinnes seien, von den Gestalten des Bösen nichts zu fürchten.
Als Kind war es Birger nicht leichtgefallen, sich auf diese Erklärungen einen Reim zu machen, und mit der Beharrlichkeit des Kindes hatte er auch alle in seiner Umgebung gefragt, ob schon mal jemand eines dieser Wesen gesehen hätte. Doch niemand hatte mit Ja geantwortet. Das war umso merkwürdiger, da viele der Freigelassenen auf Forsvik vorgaben, in ihrem Leben das eine oder andere erlebt zu haben. Auf Forsvik gab es ein paar ältere Frauen, die für ihr Wissen und ihre Heilkünste sowie für ihre Verbindungen zur Welt des Bösen im Waldesdunkel verehrt wurden. Er erinnerte sich insbesondere an eine, die im Osten geboren war und Lara hieß. Wenn an einem Märzabend das Bellen eines Fuchses zu hören war, blinzelte sie geheimnisvoll und flüsterte, das sei die Waldfrau, die sich in einen Fuchs verwandelt habe. Beim brünstigen Röhren eines Hirsches in der Septembernacht flüsterte sie, das sei der Trollkönig selbst, der in Gold gehüllt aus seinen unterirdischen Höhlen emporgestiegen sei, um Menschenblut zu trinken. So etwas hinterließ in der Fantasie eines Kindes tiefe Spuren.
Es gab aber auch Erwachsene oder Ältere, die das alles für Ammenmärchen hielten. Leute, die sich oft im finsteren Wald aufhielten, sollten es eigentlich besser wissen. Ritter Sigurd war so ein Mann, sein Bruder Oddvar ebenfalls. Was sie nie gesehen hätten, meinten sie, gäbe es auch nicht. Jeder kluge Mann könne natürlich auch anderer Meinung sein, aber warum sollte man das tun, ohne einen konkreten Grund dafür zu haben?
Birger war nicht sicher, was er eigentlich über die unsichtbaren Waldwesen glauben sollte. Doch blieben die Gedanken an sie natürlich nicht aus, wenn man an einem flackernden Lagerfeuer im tiefsten Tiveden lag, und vermutlich zwang er sich deswegen immer wieder, an die jungen Frauen in Svealand zu denken. Nur waren diese Fantasien leider nicht annähernd so lebendig wie die finsteren Gedanken, denn Birger war einer Frau noch nie nahegekommen, und die Flamme, die Alde in ihm entfacht hatte, war von seiner Mutter Ingrid Ylva sogleich erstickt worden. Schließlich verfiel er dann doch in einen totenähnlichen Halbschlummer.
Das Geheul von einem nichtmenschlichen
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