Der Kreuzritter - Verbannung - Tempelriddaren
Die Sarazenen sind uns hier in Outremer tausendfach überlegen. Selbst wenn wir sie alle töten könnten, wäre das nicht sonderlich klug, da wir dann verhungern müssten. Wir herrschen gerade erst hundert Jahre über das Heilige Land, das soll aber in alle Ewigkeit so bleiben. Ist das nicht so?«
»Ja, so könnte man das sagen«, bestätigte Pater Louis ungeduldig, da er auf eine erschöpfendere Erklärung wartete.
»Einige Christen kämpfen aufseiten der Sarazenen, viele Ungläubige auf unserer Seite. Der Krieg steht nicht
zwischen Allah und dem Christengott, denn das ist derselbe Gott. Es geht um den Kampf zwischen Gut und Böse. Viele unserer Freunde - Kaufleute, Karawanenmeister und Spione - sind Ungläubige, ebenso viele unserer Ärzte. Ihre Bekehrung zum Christentum zu fordern, sobald sie für uns arbeiten, wäre genauso unsinnig, wie zu den palästinischen Bauern auf den Feldern zu sagen, sie sollten sich taufen lassen. Unmöglich und eitel. Ein anderes Beispiel ist unser Handel mit Mossul, das noch nicht Teil von Saladins Reich ist. Von Mossul bis nach Saint-Jean d’Acre braucht eine Karawane zwei Wochen. In Saint-Jean d’Acre liegt der wichtigste Hafen, von dem aus das Tuch aus Mossul verschifft wird, das wir Musselin nennen. Dort haben die Kaufleute aus Mossul eine Karawanserei mit eigenen Gebetsplätzen, einer eigenen Moschee und einem Minarett, von dem aus die Stunden des Gebets bekanntgegeben werden. Sie haben dort auch eine eigene Taverne, in der sie essen und trinken können, was sie wollen. Wenn wir den Handel mit Mossul abbrechen und den türkischen Atabeg dort Saladin in die Arme treiben wollen, dann sollten wir diesen Kaufleuten natürlich unter Zwang die Bärte abrasieren und sie zappelnd und wehklagend und gegen ihren Widerstand zwangstaufen. Wir finden nicht, dass damit dem Heiligen Land gedient wäre.«
»Aber ist die Gottlosigkeit der Ungläubigen mitten in der heiligsten der Städte gut für das Heilige Land?«, fragte Pater Louis zweifelnd.
»Ja, das ist sie!«, antwortete Arn kurz. »Ihr, Pater, wisst, dass unsere Lehre die reine Lehre Gottes ist, und ich weiß das auch. Ihr seid bereit, für diese reine Lehre zu sterben, und auch ich habe geschworen, das zu tun, wann immer das von mir verlangt wird. Wir wissen, was die Wahrheit
und das Leben sind. Unglücklicherweise wissen neun Zehntel der Menschen hier in Outremer das nicht. Aber wenn wir nicht von Saladin oder einem seiner Nachfolger vertrieben werden, wie wird es hier in hundert Jahren aussehen? Oder in dreihundert oder gar achthundert Jahren?«
»Ihr glaubt, dass am Ende die Wahrheit siegen wird?«, fragte Pater Louis und schien bei allem Ernst ein wenig belustigt.
»Ja, das glaube ich«, antwortete Arn. »Wir können das Heilige Land mit dem Schwert verteidigen, aber nicht auf Dauer. Erst wenn wir das Schwert nicht mehr brauchen, haben wir wirklich gesiegt. Niemand ist sonderlich erpicht darauf, mit dem Schwert bekehrt zu werden. Durch Handel, Gespräche, Gebete, gute Prediger und Friedfertigkeit pflegt so etwas besser zu gehen.«
»Um die Gottlosigkeit zu besiegen, müssen wir sie also erst einmal gestatten«, meinte Pater Louis nachdenklich. »Wenn das die Worte eines dahergelaufenen Mönchs in der Bourgogne gewesen wären, hätte ich ihn wahrscheinlich für kindisch gehalten, da er von der Macht des Schwertes keine Vorstellung hat. Aber wenn Ihr beide, gerade Ihr beide, die Ihr mehr über das Schwert wisst als alle anderen Christen, dieser Auffassung seid … Ist das im Übrigen auch Eure Meinung, Großmeister?«
»Ja. Ich hätte vielleicht versucht, die Sache etwas wortreicher zu erklären als mein Freund Arn«, antwortete Arnoldo do Torroja, »aber grundsätzlich sind wir einer Meinung.«
»Es gibt da etwas, das Ihr erfahren solltet, wenn wir nun schon einmal über dieses Thema sprechen«, fuhr Arn vorsichtig fort, als er sah, dass der Großmeister seine Rede beendet hatte. »Vor einer Woche bekam ich Besuch
vom Oberrabbiner von Bagdad. Die Juden haben dort ihre größte Gemeinde in Outremer. Der Rabbiner bat mich, den Juden das Gebet an der westlichen Mauer zu gestatten, die nach ihrem Glauben ein Rest des Tempels von König David oder so ähnlich ist. Ihr wisst vielleicht, dass die Juden in den letzten siebenundachtzig Jahren in Jerusalem nicht mehr gebetet haben?«
»Nein, das wusste ich nicht«, sagte Pater Louis. »Wohnen viele Juden hier in der Stadt?«
»Ja, einige. Sie sind begabte Handwerker, Schmiede und
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