Der Kreuzritter - Verbannung - Tempelriddaren
Unglück.
Also musste etwas unternommen werden. Die Zeit war knapp, da der aussätzige König bereits den eisigen Hauch des Todes im Nacken spürte. Er ernannte daher den sechsjährigen Sohn seiner Schwester Sibylla, der ebenfalls Balduin hieß, zum Thronfolger. Guy de Lusignan machte er zum Grafen von Askalon und Jaffa, unter dem Vorbehalt, dass dieser in Askalon wohnen müsse, um die Stimmung am Jerusalemer Hof nicht weiter mit seiner Anwesenheit zu verpesten. Unter Zähneknirschen und vielen harten Worten zog Guy de Lusignan zusammen
mit Sibylla und ihrem kränklichen Sohn Balduin nach Askalon.
Dass es dem sechsjährigen Thronfolger nicht gut ging, wussten alle. Den Knaben zum Thronfolger zu machen war deshalb mehr als ein Manöver zu verstehen, das Guy de Lusignan daran hindern sollte, den Thron zu besteigen.
Es lag jetzt in Gottes Hand, wer von den beiden als Erster sterben würde, der vierundzwanzigjährige Balduin oder sein sechsjähriger Namensvetter.
Pater Louis musste mehrere Monate warten, bis ein Gespräch mit dem Großmeister der Templer, Arnoldo do Torroja, und dem Meister von Jerusalem, Arn de Gothia, in Jerusalem zustandekam. Beide waren oft auf Reisen - der Großmeister, weil er alle wichtigen Angelegenheiten innerhalb des Ordens vom christlichen Armenien im Norden bis nach Gaza im Süden entscheiden musste, und Arn de Gothia, weil er als oberster militärischer Befehlshaber ständig die verschiedenen Ordensburgen aufsuchte.
Pater Louis wartete auf eine Gelegenheit, um mit beiden gleichzeitig und einigermaßen in Ruhe sprechen zu können. Was er vorzubringen hatte, würde zu schwer auf den Schultern nur eines Mannes lasten. Außerdem dachten zwei Köpfe immer besser als einer.
Möglicherweise hatte Arn de Gothia die heimliche Mission von Pater Louis bereits durchschaut, da die Gastfreundschaft, die dieser inzwischen in Jerusalem genoss, das übliche Maß weit übertraf. Er hatte im Viertel der Templer Quartier genommen, statt im nahen Zisterzienserkloster auf dem Ölberg zu wohnen. Wie es dem Kundschafter
des Heiligen Vaters nur recht sein konnte, wohnte er damit im Herzen der Macht.
Ganz sicher war sich Pater Louis allerdings nicht, ob Arn de Gothias Gastfreundschaft auf irgendwelche Vermutungen zurückzuführen waren, denn der bemerkenswerte Ritter war ihm inzwischen sehr zugetan. Er suchte ihn oft auf, um mit ihm über kirchliche und weltliche Dinge zu sprechen, so wie er das sicher auch bei seinem alten Beichtvater Henri in dem fernen Kloster im Westlichen Götaland getan hatte, dessen Namen Pater Louis vergessen hatte.
Nun endlich sollte es zu dem Gespräch zwischen den drei Männern kommen. Arnoldo do Torroja und Arn de Gothia setzten sich mit ihrem Gast nach der Komplet in den Bogengang. Sie scherzten darüber, wie sich die heiligen und weniger heiligen Gerüche und Geräusche in der abendlichen Stadt mischten, und der muntere Ton der Unterhaltung passte kaum zu dem, was Pater Louis zu erzählen hatte.
Die beiden Templer so nebeneinander zu sehen rührte ihn zutiefst. Äußerlich waren sie sehr unterschiedlich. Der eine war groß und hatte dunkle Augen, einen schwarzen Bart und schwarzes Haar. Sein Temperament war sprudelnd, und er scherzte schlagfertig wie ein Mann bei Hofe. Der andere war blond, sein Bart fast weißblond, und er hatte wasserblaue Augen. Neben dem riesigen Torroja wirkte er schlank. Er war nachdenklich und viele seiner Kommentare waren kurz angebunden und schroff. Somit stellten die beiden zwar ein Sinnbild des Unvereinbaren dar, als Vertreter des feurigen Südens und des kalten Nordens, zugleich aber einten sie Besitzlosigkeit und die Begeisterung für die Sache: Sie verteidigten die Christenheit und das Grab Gottes.
Besonders bemerkenswert erschien Pater Louis jedoch die Tatsache, dass diese höfischen und in geistlichen Fragen sehr bewanderten Männer in jedes beliebige Kloster gepasst hätten, wenn man ihnen nur die Bärte abrasiert und sie statt in kriegerische weiße Mäntel mit roten Kreuzen in ein Mönchshabit gesteckt hätte.
Allerdings gab es einen Unterschied: Diese Männer gehörten zu den besten Kriegern der Welt. Auf dem Schlachtfeld waren sie furchterregend, das bezeugten alle, die sich in militärischen Dingen auskannten. Und trotzdem diese milden Blicke, dieses vorsichtige Lächeln, diese leise Rede. Das, genau das war wohl die Vision des heiligen Bernhard von der neuen Ritterschaft.
Um den allzu munteren Gesprächston zu dämpfen, verstummte
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