Der Kreuzritter - Verbannung - Tempelriddaren
vorstellen können.
An dem Abend, an dem er mit Graf Raimund, Prinz Bohemund, Roger des Moulins und den Brüdern d’Ibelin in dem Zimmer gesessen hatte, von dem aus Gérard de Ridefort jetzt regierte, und sie über die Zukunft des Heiligen Landes sprachen, hatte diese noch hoffnungsvoll ausgesehen. Zusammen hätten sie mit Saladin Frieden schließen können.
Jetzt war das Spielbrett umgeworfen: Gérard de Ridefort war der Todfeind des Regenten Graf Raimund, und die Pläne, Templer und Johanniter einander näherzubringen, waren vermutlich zunichtegemacht. Arn hatte die dumpfe Ahnung, dass das nur der Beginn einer grundlegenden Veränderung der Verhältnisse im Heiligen Land sei.
Als er nach Gaza zurückkehrte, hatte er zumindest die Freude, seinen norwegischen Kameraden Harald Øysteinsson wiederzusehen. Dieser war es inzwischen herzlich leid, Psalmen zu singen und in der heißen Sonne zu schwitzen. Das Wenige, was Harald vom Krieg im Heiligen Land gesehen hatte, gefiel ihm nicht, und das langweilige Leben auf einer Burg in Friedenszeiten fand er noch schlimmer.
Da hatte Arn eine glänzende Idee. Er ordnete als Burggraf an, dass alle Brüder oder Knappen, die bereits schwimmen und tauchen konnten, dies auch in Friedenszeiten üben mussten. Falls der Hafen von Gaza von einer feindlichen Flotte belagert wurde, war es nämlich wichtig, nachts schwimmend die Blockade durchbrechen zu können. Da Arn und Harald die Einzigen waren, die überhaupt schwimmen konnten, diente diese Übung allerdings mehr ihrem privaten Vergnügen als der ernsthaften Vorbereitung auf einen Krieg. Die Regeln verboten zwar, dass sie gleichzeitig auf dem Pier übten, da sich kein Templer unbekleidet vor einem anderen zeigen durfte, genauso wenig wie es erlaubt war, zum reinen Vergnügen zu baden. Deswegen mussten sie sich mit dem Schwimmen abwechseln, aber ihr Vergnügen an dieser vorgeblichen Kriegsübung war sicher bedeutend größer als ihr militärischer Nutzen für die Templer.
Noch vor einigen Jahren wäre Arn nie auf den Gedanken gekommen, die Ordensregeln so leichtfertig zu verdrehen, aber jetzt empfand er seine verbleibende Dienstzeit nur noch als Warterei und nicht mehr als heilige Pflicht. Dadurch verlor er viel von seinem früheren strengen Ernst. Er und Harald begannen ihre gemeinsame Heimreise zu planen. Als Burggraf konnte Arn seinen Knappen Harald vom Dienst befreien, wann immer er
wollte. Beide waren sich einig, dass man die lange Reise in den Norden lieber zusammen machen sollte.
Arn konnte sich zunächst nicht vorstellen, wie er ausreichend Reisegeld aufbringen sollte. Er hatte während der zwanzig Jahre, die er ohne eigenes Geld gelebt hatte, aufgehört, Geld als ein Problem zu betrachten. Bei näherem Überlegen ging ihm jedoch auf, dass er sicher von einigen der weltlichen Ritter, die er kannte, genügend Geld für die Reise leihen konnte. Schlimmstenfalls würden er und Harald ein Jahr lang beispielsweise in Tripolis oder Antiochia in Dienst treten, ehe sie die Mittel beisammenhatten.
Beim Reden über die große Reise wuchs ihr Heimweh. Sie träumten von den Gegenden, die sie so lange aus ihren Gedanken verdrängt hatten. Sie sahen Gesichter von früher, lauschten in die Stille und dachten an ihre Muttersprache. Ein Bild drängte jedoch alle anderen in den Hintergrund: Jede Nacht sah Arn Cecilia vor sich, und jede Nacht betete er zur Gottesmutter, dass sie Cecilia und das Kind, das er nicht kannte, beschützen möge.
Die Nachrichten, die Arn ab und zu von Reisenden erhielt, die zwischen Gaza und Jerusalem unterwegs waren, bestärkten ihn in der Überzeugung, dass das Heilige Land auf dem Weg in den Untergang war. In Jerusalem waren unchristliche Gebete nicht mehr erlaubt, und sarazenischen Ärzten und Juden war es nicht mehr gestattet, für Templer oder Weltliche zu arbeiten. Die Feindschaft zwischen Johannitern und Templern war schlimmer als je zuvor, da sich die beiden Großmeister weigerten, miteinander zu reden. Die Templer schienen mit aller Macht den Frieden zu sabotieren, den der Regent Graf Raimund mit Mühe aufrechterhielt. Beunruhigend war auch, dass sich die Templer mit dem Karawanenplünderer Rainald
de Châtillon in Kerak angefreundet hatten. Arn war sich klar darüber, dass es nur eine Zeitfrage war, bis dieser Mann erneut zu plündern beginnen und damit den Frieden mit Saladin brechen würde.
Arn dachte immer mehr an seine Heimreise und hatte stärkeres Interesse daran, die ihm verbleibenden Tage im
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