Der Kreuzritter - Verbannung - Tempelriddaren
verbeugen und daraufhin den Mantel und mit diesem auch Rang und Stellung im Orden zu tauschen.
»So, jetzt bist du wieder Burggraf!«, stellte Gérard de Ridefort zufrieden fest. »Deinem Freund Arnoldo hat es gefallen, mich nach Chastel-Blanc zu verschicken. Wie
würde es dir gefallen, meinen alten Dienst zu übernehmen?«
»Du befiehlst, und ich gehorche, Großmeister. Aber lieber wäre mir mein alter Dienst als Burggraf von Gaza«, antwortete Arn leise, aber mit fester Stimme.
»Gaza!«, rief der Großmeister amüsiert. »Das ist doch nur ein Nest verglichen mit Chastel-Blanc. Aber wenn das dein Wunsch ist, so will ich diesem entsprechen. Wann kannst du Jerusalem verlassen?«
»Wann es dir gefällt, Großmeister.«
»Gut! Dann sagen wir also morgen nach der Laudes?«
»Ja, wie du befiehlst, Großmeister.«
»Ausgezeichnet, dann kannst du jetzt gehen. Der neue Meister von Jerusalem und ich haben noch einige wichtige Angelegenheiten zu besprechen. Ich segne dich und wünsche dir eine gute Nacht.«
Der Großmeister wandte sich von Arn ab, als erwarte er, dass dieser sich sofort in Luft auflöse. Aber Arn blieb zögernd stehen, und der Großmeister machte eine fragende Geste.
»Es ist meine Schuldigkeit, dich auf eine Sache hinzuweisen, die ich nur dir sagen darf und demjenigen, der Meister von Jerusalem ist, Bruder James also«, sagte Arn.
»Wenn Arnoldo dir solche Anweisungen gegeben hat, dann hebe ich diese sofort auf. Also, worum geht es?«, fragte Gérard de Ridefort spöttisch.
»Die Anweisungen kommen nicht von Arnoldo, sondern vom Heiligen Vater in Rom«, antwortete Arn leise und achtete sehr darauf, seine Stimme nicht ebenfalls höhnisch klingen zu lassen.
Zum ersten Mal verließ den neuen Großmeister seine Selbstsicherheit. Er sah Arn eine Weile zweifelnd an, ehe
er einsah, dass dieser es ernst meinte. Da erst nickte er dem dritten Bruder zu, er solle das Zimmer verlassen.
Arn ging ins Archiv, das einige Zimmer weiter lag, und holte die päpstliche Bulle, in der der Patriarch Heraclius des Meuchelmords bezichtigt wurde, in der aber auch stand, dass das geheim bleiben musste. Dann kehrte er mit dem Pergament zurück und breitete es auf dem Tisch vor dem Großmeister aus, verbeugte sich und trat einen Schritt zurück.
Der Großmeister warf einen kurzen Blick auf die Bulle, erkannte das päpstliche Siegel, sah aber gleichzeitig ein, dass er sie nicht lesen konnte, da sie in Latein abgefasst war. Ihm blieb keine Wahl, er musste sich demütigen und Arn bitten, sie ihm zu übersetzen. Das tat dieser auch, ohne weiter erstaunt zu wirken.
Sowohl der Großmeister als auch sein neuer Meister von Jerusalem, James de Mailly, verloren ihre gute Laune, sobald sie die böse Nachricht erhielten. Heraclius war derjenige innerhalb der Kirche gewesen, der sich mehr als jeder andere dafür eingesetzt hatte, dass Gérard de Ridefort Großmeister würde. Folglich stand der neue Großmeister in Dankesschuld zu einem verurteilten Giftmörder.
Arn wurde mit einer Handbewegung entlassen und zog sich mit einer tiefen Verbeugung aus den Gemächern des Großmeisters zurück. Mit einem ganz unvermuteten Gefühl der Erleichterung suchte er sein Nachtquartier in einem der Gästezimmer auf, denn ihm war plötzlich bewusst geworden, dass nur noch ein gutes Jahr seiner Bußezeit vor ihm lag. Er hatte bald neunzehn von den zwanzig Jahren gedient, die er sich dem Templerorden verpflichtet hatte.
Das war ein neuer und fremdartiger Gedanke. Bis zu dem Augenblick, in dem er vom neuen Großmeister Gérard
de Ridefort fortgeschickt worden und zum letzten Mal durch die hohen Säle der Templerherberge in Jerusalem gegangen war, hatte er es vermieden, die Jahre, Monate und Tage zu zählen. Vermutlich deswegen, weil er immer damit gerechnet hatte, dass ihn der Feind ins Paradies befördern würde, noch ehe seine zwanzig Jahre um waren.
Doch mittlerweile war nur ein Jahr übrig, und außerdem gab es einen Friedensvertrag mit Saladin, der eine Gültigkeit von mehreren Jahren hatte. Im kommenden Jahr war mit keinem Krieg zu rechnen. Er konnte also überleben. Er würde heimreisen können.
Nie zuvor hatte er diese starke Sehnsucht nach seiner Heimat empfunden. Zu Beginn seines Aufenthalts im Heiligen Land waren ihm die zwanzig Jahre so unendlich vorgekommen, dass es dahinter keine Zeit zu geben schien. In späteren Jahren war er mit seinen Aufgaben als Meister von Jerusalem so beschäftigt gewesen, dass er sich kein anderes Leben hatte
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