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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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vor Anstrengung, natürlich zu klingen.
    »Er wollte, ist aber nicht gegangen«, bestätigte der schmutzige Haarschopf. Rufino verharrte in seiner respektvollen Haltung und blickte weiterhin zu Boden. »›Oberst‹ Epaminondas hat Leute geschickt, um ihn töten zu lassen. Und glaubt, daß er tot ist. Aber er ist nicht tot. Jurema hat ihn gerettet. Und jetzt leben er und Jurema zusammen.«
    Gumucio und der Baron sahen sich staunend an, während José Bernardo Murau, Unverständliches vor sich hin brummend, angestrengt versuchte, aus dem Schaukelstuhl aufzustehen. Der Baron erhob sich noch vor ihm. Er war bleich und seine Hände zitterten. Nicht einmal jetzt schien der Spurenleser zu bemerken, welche Aufregung er bei den drei Männern hervorrief. »Das heißt, daß Galileo Gall am Leben ist«, stammelte Gumucio schließlich und schlug sich mit der Faust in die Handfläche. »Das heißt, daß der verkohlte Leichnam, der abgeschnittene Kopf und diese ganze Schwindelgeschichte ...«»Sie haben ihm den Kopf nicht abgeschnitten, Senhor«, unterbrach ihn Rufino, und abermals herrschte elektrisiertes Schweigen in dem unaufgeräumten Wohnzimmer: »Sie haben ihm das lange Haar abgeschnitten. Und verbrannt haben sie einen Verrückten, der seine Kinder umgebracht hat. Der Ausländer ist am Leben.«
    Er schwieg und blieb stumm, obwohl ihm Adalberto de Gumucio und José Bernardo Murau mehrere Fragen auf einmal stellten. Der Baron kannte seine Leute genügend, um zu wissen, daß der Spurenleser gesagt hatte, was er zu sagen hatte, und daß niemand ein Wort mehr aus ihm herausbringen würde. »Kannst du uns sonst noch etwas sagen, Patensohn?« Er hatte ihm eine Hand auf die Schulter gelegt und verbarg nicht seine Bewegung.
    Rufino schüttelte den Kopf.
    »Ich danke dir, daß du gekommen bist«, sagte der Baron. »Du hast mir einen großen Dienst erwiesen. Uns allen. Auch, obwohl du das nicht wissen kannst, dem ganzen Land.«
    Wieder erklang Rufinos Stimme, eindringlicher als vorher:
    »Ich möchte das Versprechen brechen, das ich dir gegeben habe, Pate.«
    Der Baron nickte bedrückt. Er dachte, daß er damit ein Todesurteil gegen eine Person sprach, die vielleicht unschuldig war oder zwingende, achtbare Gründe hatte und die sich durch seinen Spruch verlassen und verstoßen fühlen würde. Und doch konnte er nichts anderes tun.
    »Tu, was dir dein Gewissen sagt«, murmelte er. »Gott sei mit dir und möge dir verzeihen.«
    Rufino hob den Kopf, seufzte, und der Baron sah, daß seine kleinen Augen blutunterlaufen und feucht waren und sein Gesicht das eines Mannes war, der eine entsetzliche Prüfung überstanden hat. Er kniete nieder, und der Baron machte ihm das Kreuzeszeichen auf die Stirn und reichte ihm noch einmal die Hand zum Kuß. Der Spurenleser stand auf und verließ das Zimmer, ohne die beiden anderen auch nur anzusehen.
    Adalberto de Gumucio sprach als erster:
    »Ich verbeuge mich in Ehrfurcht«, sagte er und musterte die Glasscherben zu seinen Füßen. »Epaminondas ist ein kluger Kopf. Es stimmt, wir haben uns in ihm getäuscht.«»Schade, daß er nicht auf unserer Seite ist«, fügte der Baron hinzu. Doch trotz der Ungeheuerlichkeit der Entdeckung dachte er nicht an Epaminondas Gonçalves, sondern an Jurema, die junge Frau, die Rufino nun töten würde, und an den Kummer seiner Frau, wenn sie es erführe.

III
    »Seit gestern ist der Befehl angeschlagen«, sagt Moreira César und deutet mit der Reitpeitsche auf den Zettel, auf dem die Zivilbevölkerung aufgefordert wird, alle Feuerwaffen dem Siebten Regiment zu melden. »Und heute früh, als die Kolonne ankam, ist er vor dem Bürgermeisteramt verlesen worden. Sie wußten, was sie riskierten, Senhores.«
    Die Gefangenen stehen Rücken an Rücken, gefesselt. Weder ihre Gesichter noch ihre Oberkörper zeigen Spuren von Schlägen. Barfuß und barhäuptig, wie sie da stehen, könnten sie Vater und Sohn, Onkel und Neffe oder zwei Brüder sein, denn die Züge des Jüngeren wiederholen die des Älteren, und beide haben die gleiche Art, auf das Feldtischchen zu sehen, an dem eben ihr Urteil gesprochen worden ist. Zwei von den drei Offizieren, die als Richter fungiert haben, gehen mit der gleichen Eile, mit der sie gekommen sind und das Urteil gesprochen haben, den Kompanien entgegen, die nach und nach in Cansanção einrücken, und bleiben bei denen, die schon im Dorf ihr Lager aufschlagen. Nur noch Moreira César steht neben dem corpus delicti: zwei Karabinern, einer Schachtel

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