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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Kugeln, einem Beutel Pulver. Die Gefangenen haben nicht nur Waffen versteckt, sondern auch einen der sie festnehmenden Soldaten angegriffen und verwundet. Die gesamte Bevölkerung – ein paar Dutzend Bauern – steht auf dem freien Platz hinter den Soldaten, die sie mit gezogenem Bajonett am Näherkommen hindern.
    »Für diesen Kram hat sich das nicht gelohnt.« Der Stiefel des Oberst streift über die Karabiner. In seiner Stimme liegt nicht die mindeste Gereiztheit. Er wendet sich an einen Sergeanten und sagt, als ob er fragen wollte, wieviel Uhr ist es: »Gib ihnen einen Schluck Schnaps.«
    In nächster Nähe der Gefangenen, dicht beieinander, schweigend, Verblüffung oder Schrecken in den Gesichtern, stehen die Korrespondenten. Diejenigen von ihnen, die keine Hüte haben, schützen sich mit Taschentüchern gegen die Sonne. Von der anderen Seite des Platzes dringen die gewohnten Geräusche herüber: das Schurren von Knobelbechern und Reitstiefeln, dasKlappern von Hufen, Pferdegewieher, Befehle, Knirschen, Gelächter. Man könnte meinen, den Soldaten, die da ankommen oder schon ausruhen, sei vollkommen gleichgültig, was hier geschehen wird. Der Sergeant hat eine Flasche entkorkt und hält sie den Gefangenen an den Mund. Beide nehmen einen langen Schluck.
    »Ich will erschossen werden, Oberst«, bittet plötzlich der Jüngere.
    »Ich verschwende meine Munition nicht an Verräter der Republik«, sagt der Oberst. »Nur Mut. Sterben Sie als Männer.«
    Er gibt ein Zeichen, und zwei Soldaten ziehen ihre Jagdmesser aus dem Gürtel und treten vor. Sie tun es präzis, mit identischen Bewegungen: sie fassen, jeder mit der linken Hand, das Haar eines Gefangenen, ziehen ihm mit einem Ruck den Kopf nach hinten und schneiden ihm gleichzeitig die Kehle durch mit einem tiefen Schnitt, der den tierischen Klagelaut des Jüngeren und den Schreckensschrei des Älteren jäh unterbricht. »Es lebe der gute Ratgeber Jesus! Es lebe Belo ...!«
    Die Soldaten rücken dichter zusammen, wie um die Leute aus dem Dorf nicht durchzulassen, die sich aber nicht bewegt haben. Ein paar Korrespondenten haben die Augen niedergeschlagen, einer sieht wie vernichtet aus, der Journalist des Jornal de Notícias verzieht angewidert das Gesicht. Moreira César mustert die blutüberströmten Körper.
    »Sie sollen unter dem Anschlag zur Schau gestellt werden«, befiehlt er sanft.
    Und damit scheint er die Exekution vergessen zu haben. Mit raschen, nervösen Schritten geht er auf die Hütte zu, in der eine Hängematte für ihn aufgehängt worden ist. Die Gruppe der Journalisten setzt sich hinter ihm in Bewegung und holt ihn ein. Er geht zwischen ihnen, ernst, ruhig, mit trockener Haut, im Unterschied zu den Journalisten, die von der Hitze und von dem eben Gesehenen rote Köpfe haben. Sie haben sich noch nicht erholt von dem schrecklichen Anblick der in ihrer nächsten Nähe durchschnittenen Kehlen: der Sinn bestimmter Wörter, wie Krieg, Grausamkeit, Leiden, Schicksal, hat den Bereich des Abstrakten, in welchem er früher existierte, verlassen und eine meßbare, greifbare Körperlichkeit angenommen,die sie verstummen läßt. Sie sind an der Tür der Hütte angekommen. Eine Ordonnanz bringt dem Oberst eine Waschschüssel, ein Handtuch. Der Chef des Siebten Regiments wäscht sich die Hände und erfrischt sich das Gesicht. Der Korrespondent, der immer eingemummt geht, stammelt:
    »Darf über die Exekution berichtet werden, Exzellenz?«
    Moreira César hört ihn nicht oder würdigt ihn keiner Antwort.
    »Im Grunde fürchtet der Mensch nur den Tod«, sagt er, während er sich abtrocknet, nicht großsprecherisch, sondern natürlich wie bei den Gesprächen, die sie ihn abends mit Gruppen von Offizieren führen hören. »Deshalb ist das die einzige wirksame Strafe. Vorausgesetzt, daß sie gerecht verhängt wird. Sie ist der Zivilbevölkerung eine Lehre und demoralisiert den Feind. Das klingt hart, ich weiß. Aber so werden Kriege gewonnen. Heute haben Sie Ihre Feuertaufe gehabt, Senhores.«
    Er verabschiedet sie mit dieser blitzschnellen, kalten Verbeugung, von der sie inzwischen wissen, daß sie unwiderruflich das Ende eines Gesprächs bedeutet. Er kehrt ihnen den Rücken und betritt die Hütte, in der sie das geschäftige Hin und Her von Uniformen, eine ausgebreitete Landkarte und ein paar die Hacken zusammenschlagende Adjutanten erkennen können. Benommen, verschreckt, fassungslos gehen sie über den freien Platz zurück und auf die Intendantur zu, wo sie bei

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