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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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um sprechen zu können, ohne gehört zu werden. Die Bedienerin stellt ihnen zwei Gläser hin und fragt, ob sie Branntwein wollen. Ja, sie wollen. Sie bringt eine halbvolle Flasche, der Spurenleser schenkt ein, und sie trinken, ohne anzustoßen. Jetzt füllt Caifás die Gläser. Er ist älter als der Spurenleser und seine starren Augen sind ohne Glanz. Er trägt wie gewöhnlich Lederzeug, ist von Kopf bis Fuß in Leder begraben.
    »Sie hat ihn gerettet?« sagt Rufino endlich, die Augen niederschlagend. »Sie hat dich am Arm festgehalten?«
    »Daran habe ich gemerkt, daß sie seine Frau geworden ist«, bestätigt Caifás. In seinem Gesicht sind noch Spuren der Überraschung, die er an jenem Morgen erlebt hat. »Daran, daß sie auf mich gesprungen ist und mir den Arm weggedreht hat, daß sie mit ihm gemeinsam über mich hergefallen ist.« Er zuckt die Achseln und spuckt aus. »Sie war schon seine Frau. Was hätte sie anderes tun können, als ihn verteidigen?« »Ja«, sagt Rufino.
    »Ich begreife nicht, warum sie mich nicht getötet haben«, sagt Caifás. »In Ipupiará habe ich Jurema danach gefragt, und sie wußte keine Erklärung. Dieser Ausländer ist sonderbar.« »Das ist er«, sagt Rufino.
    Unter den Leuten auf dem Markt sind auch Soldaten. Sie sind der Restbestand des Expeditionsheers von Major Febrônio de Brito, sie sind hiergeblieben und warten, sagen sie, auf die Ankunft eines Heeres. Ihre Uniformen sind zerfetzt, sie irren umher wie unerlöste Seelen, schlafen auf dem Hauptplatz, amBahnhof, an den Flußufern. Zu zweit, zu viert gehen sie herum und schauen neidvoll auf die Frauen, das Essen, den Schnaps. Die Leute bemühen sich, nicht mit ihnen zu sprechen, sie weder zu sehen noch zu hören.
    »Durch ein Versprechen ist dir die Hand gebunden, oder nicht?« sagt Rufino schüchtern. Eine tiefe Falte steht in seiner Stirn.
    »So ist es«, stimmt Caifás zu. »Wie kann ein Versprechen gelöst werden, das man dem guten Jesus oder der Jungfrau gegeben hat?«
    »Und eins, das man dem Baron gegeben hat?« sagt Rufino und streckt den Kopf vor.
    »Das kann der Baron lösen«, sagt Caifás. Er füllt wieder die Gläser und sie trinken. Im Stimmengewirr des Markts ist ein Streitgespräch zu hören, heftig, fern, das in Gelächter endet. Der Himmel hat sich bezogen, als ob es regnen wollte.
    »Ich weiß, wie dir zumute ist«, sagt Caifás plötzlich. »Ich weiß, daß du nicht schlafen kannst und daß alles im Leben für dich gestorben ist. Daß du Rache nimmst, selbst wenn du mit anderen beisammen bist, wie jetzt mit mir. So ist es, Rufino, so ist es, wenn man Ehre hat.«
    Ameisen laufen in einer Reihe über den Tisch, um die Flasche herum, die nun leer ist. Rufino sieht zu, wie sie kommen und wieder verschwinden. Er hält sein Glas in der Hand, er preßt es mit aller Kraft.
    »Eines darfst du nie vergessen«, fügt Caifás hinzu. »Der Tod ist nicht genug, er wäscht dich nicht rein von der Beleidigung. Aber die Hand oder die Peitsche im Gesicht, das schon. Denn das Gesicht ist so geheiligt wie die Mutter oder die Ehefrau.«
    Rufino steht auf. Die Wirtin kommt, und Caifás steckt die Hand in die Tasche, doch der Spurenleser hält ihn zurück und zahlt. Schweigend warten sie auf das Wechselgeld, in ihre Gedanken vertieft.
    »Stimmt es, daß deine Mutter nach Canudos gegangen ist?« fragt Caifás. Und da Rufino nicht reagiert: »Viele gehen hin. Epaminondas wirbt neue Leute für die Landgendarmerie an. Er will das Heer, das kommen soll, unterstützen. Auch Verwandte von mir sind bei dem Heiligen. Gegen die eigenen Leute Krieg führen ist schwer, nicht, Rufino?«»Ich führe einen anderen Krieg«, murmelt Rufino und steckt das Geld ein, das ihm die Frau reicht.
    »Ich hoffe, daß du ihn finden wirst, daß ihn die Krankheit nicht schon umgebracht hat«, sagt Caifás.
    Ihre Gestalten verschwinden im Gewühl des Markts von Queimadas.
    »Etwas kann ich nicht begreifen, Baron«, wiederholte der Großgrundbesitzer José Bernardo Murau und streckte sich auf dem Schaukelstuhl, auf dem er, sich mit dem Fuß abstoßend, langsam hin und her wippte. »Oberst Moreira César haßt uns und wir hassen ihn. Daß er gekommen ist, bedeutet einen großen Sieg für Epaminondas Gonçalves und eine Schlappe für uns, die wir wünschen, daß sich Rio nicht in unsere Angelegenheiten einmischt. Und trotzdem empfängt ihn die Autonomistische Partei in Salvador wie einen Helden, und jetzt wetteifern wir mit Epaminondas Gonçalves in Hilfsdiensten

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