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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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schlimmsten Schurkereien zu rechtfertigen. Das Land braucht sie, aber es muß mit ihnen umgehen wie mit scheuenden Pferden.«
    Der kurzsichtige Journalist lachte so glücklich, daß die Baronin, der Doktor und Olimpio de Castro sich nach ihm umdrehten. Sebastiana goß Tee ein. Der Baron nahm Moreira César am Arm und führte ihn an einen Schrank:
    »Ich habe ein Geschenk für Sie. Im Sertão ist es Brauch, einem Gast ein Geschenk zu machen.« Er holte eine staubige Flasche Brandy hervor und zeigte ihm augenzwinkernd das Etikett.
    »Ich weiß zwar, daß Sie jeden europäischen Einfluß in Brasilien ausrotten wollen, aber auf den Brandy wird sich Ihr Haß doch wohl nicht erstrecken.«
    Kaum saßen sie, reichte die Baronin dem Oberst eine Tasse Tee und gab zwei Stücke Zucker hinein.
    »Meine Gewehre sind französisch und meine Kanonen deutsch«, sagte Oberst Moreira César so ernst, daß die anderen ihr Geplauder unterbrachen. »Ich hasse weder Europa noch den Brandy. Aber es lohnt nicht, ein Geschenk an jemand zu verschwenden, der es nicht zu schätzen weiß: ich trinke keinen Alkohol.«
    »Dann behalten Sie ihn als Erinnerung«, schaltete sich die Baronin ein.
    »Ich hasse die Grundbesitzer und die englischen Händler, die diese Region in einem prähistorischen Zustand festgehalten haben«, fuhr der Oberst in eisigem Ton fort. »Ich hasse alle, die sich für den Zucker mehr interessieren als für die Menschen Brasiliens.«
    Die Baronin bediente ihre Gäste, ohne eine Miene zu verziehen. Der Herr des Hauses hingegen hatte aufgehört zu lächeln. Doch war sein Ton immer noch herzlich:
    »Und die nordamerikanischen Händler, die im Süden mit offenen Armen aufgenommen werden? Interessieren die sich für die Menschen oder für den Kaffee?« fragte er.
    Moreira César hatte die Antwort parat.
    »Mit ihnen kommen die Maschinen, die Technik, das Geld, das Brasilien für seinen Fortschritt braucht. Denn Fortschritt heißt Industrie, Arbeit, Kapital, wie die Vereinigten Staaten bewiesen haben.« Seine kalten Augen blinzelten, als er hinzufügte:»Die Sklavenhalter werden das nie verstehen, Baron de Canabrava.«
    In der Stille, die seinen Worten folgte, hörte man das Klappern der Löffel in den Tassen und das Schlucken des kurzsichtigen Journalisten, der zu gurgeln schien.
    »Nicht die Republik, die Monarchie hat die Sklaverei abgeschafft«, erinnerte die Baronin, heiter, wie im Scherz, während sie ihrem Gast Kekse anbot. »Wußten Sie übrigens, daß auf der Fazenda meines Mannes die Sklaven fünf Jahre vor dem Gesetz in die Freiheit entlassen wurden?«
    »Ich wußte es nicht«, erwiderte der Oberst. »Sehr löblich, zweifellos.«
    Er lächelte gezwungen und trank einen Schluck. Die Atmosphäre war jetzt gespannt, und weder das Lächeln der Baronin noch das plötzliche Interesse des Doktors an Schmetterlingen, noch die Anekdote von Hauptmann Castro von dem Rechtsanwalt in Rio, der seine Frau umgebracht hatte, entspannten sie. Sie verstärkte sich noch durch ein Kompliment Souza Ferreiros: »Die hiesigen Fazendeiros verlassen ihre Güter, weil die Jagunços sie ihnen niederbrennen«, sagte er. »Sie, Baron, geben ein Beispiel: Sie kommen nach Calumbí zurück.«
    »Ich bin zurückgekommen, um die Fazenda dem Siebten Regiment zur Verfügung zu stellen«, sagte der Baron. »Leider wurde meine Hilfe nicht angenommen.«
    »Wenn man diesen Frieden hier sieht, würde man nicht glauben, daß in nächster Nähe Krieg ist«, murmelte Oberst Moreira César. »Die Jagunços haben nichts angerührt. Offenbar haben Sie Glück, Baron.«
    »Der Schein trügt«, erwiderte der Baron, ohne die Ruhe zu verlieren. »Viele Familien sind aus Calumbí weggezogen, die Feldbestellung ist um die Hälfte zurückgegangen. Andererseits ist Canudos eine meiner Fazendas, oder nicht? Ich habe mehr Opfer gebracht als sonst jemand in dieser Gegend.«
    Es gelang dem Baron, den Zorn zu verbergen, den die Worte des Oberst in ihm hervorriefen; aber die Baronin war wie umgewandelt, als sie wieder sprach:
    »Sie werden doch diese Verleumdung, mein Mann hätte Canudos den Jagunços ausgeliefert, nicht ernst nehmen?« sagte sie, das Gesicht schmal vor Empörung.Der Oberst trank noch einen Schluck, ohne zu bejahen oder zu verneinen.
    »Also hat man auch Sie von dieser Infamie überzeugt«, murmelte der Baron. »Glauben Sie wirklich, ich würde wahnsinnige Häretiker, Brandstifter und Landräuber unterstützen?«
    Moreira stellte seine Tasse ab. Er sah den Baron mit

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