Der Krieg am Ende der Welt
aufgelegen waren,entstanden dunkelviolette Kreise. Der Oberst lag auf dem Bauch, den Kopf auf die gekreuzten Arme gelegt, und machte kaum den Mund auf, als Hauptmann Olimpio de Castro mit Nachrichten von der Kolonne kam. Souza Ferreiro begleitete Moreiro César ins Bad, wo Sebastiana alles nach seinen Anweisungen hergerichtet hatte. Der Oberst entkleidete sich – sein kleiner Körper war im Unterschied zu der Sonnenbräune auf Gesicht und Armen sehr weiß –, stieg, ohne jeden Ausruf, in die Badewanne und blieb eine lange Weile mit zusammengebissenen Zähnen darin liegen. Dann rieb ihn der Doktor kräftig mit Alkohol und Senf ab und ließ ihn den Rauch von Kräutern einatmen, die auf einer Glutpfanne verbrannten. Die Behandlung verlief schweigend, doch nach der Inhalation murmelte der Oberst, um die Atmosphäre zu entspannen, er käme sich vor wie bei Zauberpraktiken. Souza Ferreiro bemerkte, die Grenzen zwischen Wissenschaft und Magie seien fließend. Sie hatten Frieden geschlossen. Im Zimmer erwartete sie ein Tablett mit Obst, frischer Milch, Brot, Marmelade und Kaffee. Moreira César aß appetitlos und schlief ein. Als er aufwachte, war es Mittag, der Journalist vom Jornal de Notícias stand mit einem Spiel Karten an seinem Bett und schlug vor, ihm das Tresillo beizubringen, das bei der Bohème von Bahia derzeit in Mode sei. Ohne ein Wort zu wechseln, spielten sie, bis Souza Ferreiro kam, gewaschen und frisch rasiert, und dem Oberst sagte, er könne aufstehen. Als dieser das Wohnzimmer betrat, um mit den Hausherren Tee zu trinken, waren anwesend: der Baron und seine Gemahlin, der Doktor, Hauptmann de Castro und der Journalist, der einzige, der sich seit dem Abend zuvor nicht umgezogen hatte.
Baron de Canabrava ging auf den Oberst zu und schüttelte ihm die Hand. In dem großen, rot und weiß gefliesten Raum standen Palisandermöbel, sogenannte österreichische Stühle, mit Sitzen und Lehnen aus Korbgeflecht, Tischchen mit Petroleumlampen, Vitrinen voll Gläser und Porzellan und samtausgeschlagene Schaukästen mit Schmetterlingen. An den Wänden Aquarelle, ländliche Sujets. Der Baron erkundigte sich nach dem Befinden des Gastes, und beide tauschten Höflichkeiten aus. Der Baron spielte dieses Spiel besser als der Offizier. Durch die auf den Abend geöffneten Fenster sah man die Steinsäulenam Haupteingang, einen Brunnen und zu beiden Seiten der Einfahrt, hinter Tamarinden und Königspalmen, die ehemaligen Sklavenbaracken, die jetzt Arbeiterwohnungen waren. Sebastiana und ein Hausmädchen in gestreifter Schürze trugen Teekannen, Tassen, Kuchen und kleines Gebäck herein. Die Baronin erzählte dem Doktor, dem Journalisten und Olimpio de Castro, unter welchen Schwierigkeiten sie im Lauf der Jahre das Material zu diesem Haus und die Einrichtungsgegenstände hergeschafft hätten, und der Baron sagte zu Moreira César, dem er ein Herbar zeigte, er habe in seiner Jugend von der Wissenschaft geträumt, er hätte sein Leben am liebsten in Laboratorien und Hörsälen verbracht. Aber der Mensch denkt, Gott lenkt; schließlich habe er sich der Landwirtschaft, der Diplomatie und der Politik gewidmet, die ihn nie sonderlich interessiert hätte. Und der Oberst? Hatte er schon immer zum Militär gewollt? Ja, er habe die Soldatenlaufbahn angestrebt, solange er denken könne, vielleicht schon vorher, zu Hause in Pindamonhangaba, dem Dorf im Staat São Paulo, in dem er geboren worden war. Der Journalist trennte sich von der anderen Gruppe und stand jetzt bei ihnen, hörte ihnen schamlos zu.
»Welche Überraschung, diesen jungen Mann mit Ihnen kommen zu sehen«, lächelte der Baron und deutete auf den Kurzsichtigen. »Hat er Ihnen erzählt, daß er früher einmal für mich gearbeitet hat? Damals schwärmte er für Victor Hugo und wollte Dramaturg werden. Am Journalismus ließ er damals kein gutes Haar.«
»Das ist heute nicht anders«, sagte die dünne, unsympathische Stimme.
»Reine Lügen!« rief der Baron aus. »In Wirklichkeit sind Sie berufen zu den Klatschspalten, zum Treubruch, zur Verunglimpfung, zum Angriff aus dem Hinterhalt. Er war mein Schützling, und als er zur Zeitung meines Gegners ging, wurde er mein abscheulichster Kritiker. Hüten Sie sich vor ihm, Oberst, er ist gefährlich.«
Der kurzsichtige Journalist strahlte, als hätte ihm der Baron höchstes Lob gespendet.
»Alle Intellektuellen sind gefährlich«, pflichtete Moreira César bei. »Sie sind schwach, sentimental und fähig, mit den bestenIdeen die
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