Der Krieg am Ende der Welt
eisigem Blick an und fuhr sich rasch mit der Zunge über die Lippen.
»Diese Wahnsinnigen töten Soldaten mit Sprenggeschossen«, buchstabierte er, als fürchte er, jemand könnte eine Silbe überhören. »Diese Brandstifter haben die modernsten Gewehre. Diese Räuber erhalten Unterstützung von englischen Agenten. Wer, wenn nicht die Monarchisten, kann einen Aufstand gegen die Republik schüren?« Er war bleich geworden, seine Hände zitterten. Alle, außer dem Journalisten, blickten zu Boden.
»Diese Leute stehlen nicht und töten nicht und stecken nichts in Brand, solange sie fühlen, daß es eine Ordnung gibt, und wenn sie sehen, daß die Welt eingeteilt ist, denn niemand respektiert die Hierarchien besser als sie«, sagte der Baron mit fester Stimme. »Aber die Republik hat mit unanwendbaren Gesetzen unser System zerstört und das Prinzip des Gehorsams durch unbegründeten Enthusiasmus ersetzt. Ein Irrtum des Marschalls Floriano, Oberst, denn das Ideal der Gesellschaft ist die Ruhe, nicht die Begeisterung.«
»Ist Ihnen nicht gut, Exzellenz«, unterbrach ihn Doktor Souza Ferreiro und stand auf.
Doch ein Blick Moreira Césars hielt ihn zurück. Der Oberst war totenbleich, seine Stirn feucht geworden, seine Lippen waren violett, als hätte er sich auf sie gebissen. Er erhob sich, und mit einer Stimme, die zwischen den Zähnen steckenzubleiben schien, wandte er sich an die Baronin:
»Bitte entschuldigen Sie, Senhora. Ich weiß, daß meine Manieren manchmal zu wünschen lassen. Ich komme aus bescheidenen Verhältnissen und habe keine andere Gesellschaft gehabt als die Kaserne.«
Sich zwischen Möbeln und Vitrinen durchbugsierend, verließ er den Raum. Hinter ihm bat die ungezogene Stimme des Journalisten um eine Tasse Tee. Olimpio de Castro und er blieben im Wohnzimmer, aber der Doktor eilte dem Chef des SiebtenRegiments hinterher, den er auf dem Bett liegend fand, nach Atem ringend, in einem Zustand der Erschöpfung. Er half ihm, sich auszuziehen, gab ihm ein Beruhigungsmittel und hörte ihn sagen, mit Anbruch des kommenden Tages werde er zur Truppe zurückkehren, eine Diskussion darüber dulde er nicht. Nachdem er es gesagt hatte, ließ er eine weitere Schröpfkopf-Behandlung über sich ergehen und stieg noch einmal in die Badewanne, diesmal mit kaltem Wasser, aus der er zitternd herauskam. Eine Abreibung mit Terpentin und Senf machte ihm wieder warm. Er aß in seinem Schlafzimmer, doch dann stand er auf und begab sich im Schlafrock für ein paar Sekunden ins Wohnzimmer und stattete dem Baron und der Baronin seinen Dank für die Gastfreundschaft ab. Um fünf Uhr früh wachte er auf. Während sie Kaffee tranken, versicherte er Doktor Souza Ferreiro, er habe sich nie besser gefühlt, und den kurzsichtigen Journalisten, der zerzaust und gähnend neben ihm erwachte, warnte er einmal mehr: Wenn auch nur die kleinste Notiz über seine Erkrankung in der Presse erschiene, würde er ihn dafür verantwortlich machen. Als er das Haus verlassen wollte, kam ein Diener, um ihm zu sagen, der Baron ließe ihn bitten, in sein Büro zu kommen. Er führte ihn in ein kleines Zimmer mit einem großen Schreibtisch, auf dem eine Zigarrenpresse stand. An den Wänden hingen, zwischen den Bücherregalen, Jagdmesser, Reitpeitschen, Sättel, Lederhandschuhe und -hüte. Das Zimmer ging ins Freie. Im Morgenlicht waren zwei Männer aus der Eskorte des Oberst zu sehen, die mit dem Journalisten aus Bahia plauderten. Der Baron war in Schlafrock und Hausschuhen.
»Trotz unserer unterschiedlichen Ansichten halte ich Sie für einen Patrioten, der das Beste für Brasilien will, Oberst«, sagte er statt einer Begrüßung. »Ich will mir nicht mit Schmeicheleien Ihre Sympathie verschaffen, Sie auch nicht aufhalten. Aber ich muß wissen, ob das Heer oder wenigstens Sie über das Komplott unterrichtet sind, das unsere Feinde gegen mich und meine Freunde geschmiedet haben.«
»Das Heer mischt sich in lokalpolitische Streitigkeiten nicht ein«, unterbrach ihn Moreira César. »Ich bin nach Bahia gekommen, um eine Insurrektion niederzuwerfen, die die Republik gefährdet. Das ist alles.«Sie standen sich sehr nahe gegenüber und blickten sich unverwandt an.
»Darin eben besteht das Manöver«, sagte der Baron. »In dem Versuch, Rio, die Regierung und das Heer glauben zu machen, Canudos bedeute diese Gefahr. Diese armen Teufel haben keinerlei moderne Waffen. Die Sprengkugeln sind Geschosse aus Limonit oder braunem Hämatit, wenn Sie den technischen
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