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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Namen vorziehen, ein Erz, das in der Serra de Bendengó haufenweise vorkommt und das die Sertanejos seit jeher für ihre Jagdflinten benützen.«
    »Und die Niederlage, die das Heer in Uauá und am Cambaio einstecken mußte? Sind das auch Manöver?« fragte der Oberst. »Und die von englischen Agenten eingeschmuggelten Gewehre aus Liverpool?«
    Der Baron betrachtete eingehend das unerschrockene Gesicht des Offiziers, seine feindseligen Augen, die geringschätzige Miene. War er ein Zyniker? Er konnte es noch nicht wissen. Klar war nur, daß Moreira César ihn haßte.
    »Die englischen Gewehre sind es«, sagte er. »Epaminondas Gonçalves, Ihr glühendster Parteigänger in Bahia, hat sie besorgt, um uns der Komplizenschaft mit einer ausländischen Macht und den Jagunços beschuldigen zu können. Und der englische Spion in Ipupiará ist ebenfalls sein Werk: er selbst hat befohlen, den armen Teufel umzubringen, weil er zu seinem Unglück rothaarig war. Wußten Sie das?«
    Moreira César blinzelte, bewegte aber keinen Muskel, sagte auch nichts. Er erwiderte weiterhin den Blick des Barons und gab ihm auf diese Weise besser als durch Worte zu verstehen, was er von ihm und seinen Reden hielt.
    »Also wissen Sie es. Also sind Sie Komplize, womöglich die graue Eminenz von alledem.« Der Baron wandte den Blick ab und senkte für einen Augenblick den Kopf, als dächte er nach, während er in Wirklichkeit eine plötzliche Leere im Kopf spürte, ein Schwindelgefühl, das er jedoch rasch überwand. »Glauben Sie wirklich, daß sich das lohnt? Ich meine, alle diese Lügen, Intrigen, ja Verbrechen, um die Diktatoriale Republik einzuführen? Glauben Sie, daß auf solche Weise Entstandenes das Heilmittel für alle Leiden Brasiliens sein könnte?«
    Ein paar Sekunden vergingen, ohne daß Moreira César denMund aufmachte. Draußen kündigte eine kräftige Morgenröte die Sonne an, waren Pferdegewieher und Stimmen zu hören. Im Obergeschoß schlurfte jemand.
    »Hier findet eine Rebellion von Leuten statt, die die Republik ablehnen und die zwei Militärexpeditionen geschlagen haben«, sagte der Oberst plötzlich, ohne daß seine feste, trockene, unpersönliche Stimme sich im mindesten verändert hätte. »Objektiv betrachtet, sind diese Leute ein Werkzeug derer, die wie Sie die Republik nur akzeptiert haben, um sie desto besser verraten zu können, um sich ihrer zu bemächtigen und nach dem Auswechseln einiger Namen das traditionelle System beizubehalten. Faktisch haben Sie das auch erreicht: wir haben einen Zivilisten als Präsidenten und ein Parteien-Regime, das das Land spaltet und lähmt, und ein Parlament, in dem jede Anstrengung, die Dinge zu verändern, mit den Ihnen so geläufigen Tricks verzögert und modifiziert werden kann. Sie waren sich Ihres Sieges schon sicher, nicht wahr? Es heißt ja sogar, daß die Streitkräfte um die halbe Truppenstärke verringert werden sollen, ist es nicht so? Welch ein Triumph! Nun gut, Sie haben sich geirrt. Brasilien wird künftig nicht mehr das Erbland sein, das Sie seit Jahrhunderten ausbeuten. Dafür ist das Heer da. Um die nationale Einheit zu gewährleisten, um den Fortschritt zu bringen, um die Gleichheit zwischen den Brasilianern herzustellen und das Land modern und stark zu machen. Ja, wir werden die Hindernisse beseitigen: Canudos, Sie, die englischen Händler, die sich uns in den Weg stellen. Ich werde Ihnen die Republik, wie echte Republikaner sie sich vorstellen, nicht erklären. Sie würden das nicht verstehen, denn Sie sind die Vergangenheit, einer der rückwärts schaut. Begreifen Sie nicht, wie lächerlich es ist, sieben Jahre vor Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts noch ein Baron zu sein? Sie und ich, wir sind Todfeinde, unser Krieg ist gnadenlos, und wir haben uns nichts zu sagen.«
    Er verbeugte sich, drehte sich um und ging zur Tür hinaus. »Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit«, murmelte der Baron. Ohne aufzustehen, sah er ihn aus dem Zimmer verschwinden und draußen wieder auftauchen. Er sah ihn das weiße Pferd besteigen, das seine Ordonnanz am Zügel hielt, und an der Spitze seiner Eskorte davonreiten in einer Wolke aus Staub.

IV
    Der Ton der Pfeifen ist ähnlich dem Laut mancher Vögel, ein langgezogener Klagelaut, der die Gehörgänge durchdringt und sich in den Nerven der Soldaten festsetzt, sie nachts aus dem Schlaf reißt oder bei Tag auf dem Marsch überrascht. Er ist ein Vorspiel zum Tod, ihm folgen Kugeln oder Pfeile, die sirrend am sonnenbeglänzten oder

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