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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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was hier geschieht, mutmaßend, es sei eine Folge dessen, was die Gefangenen am Morgen gesagt haben.
    Und das bestätigt ihnen Oberst Moreira César, mit dem sie in der Nacht diskutieren können, nachdem die zwei Gefangenen exekutiert worden sind. Vor der Hinrichtung, die unter den Tamarinden stattfand, hat ein Offizier einen Tagesbefehl verlesen, in welchem es hieß, die Republik sei gezwungen, sich vor denen zu schützen, die aus Habsucht, Fanatismus, Unwissenheit oder Täuschung ihre Ordnung angriffen und damit den Gelüsten einer rückständigen Kaste dienten, die Brasilien in der Rückständigkeit zu belassen wünsche, um das Land desto besser auszubeuten. Kommt diese Botschaft bei den Leuten an? Die Korrespondenten ahnen, daß die von einem Ausrufer mit Donnerstimme vorgetragenen Worte an diesen schweigend hinter den Posten stehenden Menschen abgleiten wie ein bloßes Geräusch. Nach beendeter Exekution, als die Dorfleute zu den Gemetzelten hingehen dürfen, begleiten die Journalisten den Chef des Siebten Regiments in das Haus, in dem er die Nacht verbringen wird. Wie gewöhnlich weiß es der Journalist vom Jornal de Notícias so anzustellen, daß er an der Seite des Oberst geht.
    »War es nötig, sich ganz Monte Santo durch diese Verhöre zum Feind zu machen?« fragt er.
    »Sie sind es schon, das ganze Dorf steht auf ihrer Seite«, antwortet Moreira César. »Der Cangaceiro Pajeú war dieser Tage hier, mit ungefähr fünfzig Mann. Sie haben sie festlich aufgenommen und ihnen Proviant mitgegeben. Sehen Sie? Die Subversion sitzt tief bei diesen armen Leuten, weil religiöser Fanatismus den Boden aufbereitet hat.«
    Er wirkt nicht beunruhigt. Überall brennen Lampen, Kerzen, Feuer, im Schatten kreisen gespenstisch die Patrouillen des Siebten Regiments.»Um alle Komplizen zu exekutieren, müßte man ganz Monte Santo über die Klinge springen lassen ...« Moreira César ist vor einem Häuschen angekommen, in dem Oberst Tamarindo, Major Cunha Matos und eine Gruppe von Offizieren ihn erwarten. Mit einer Handbewegung verabschiedet er die Korrespondenten und wendet sich ohne Übergang an einen Leutnant: »Wieviel Stück Vieh haben wir noch?«
    »Fünfzehn bis achtzehn, Exzellenz.«
    »Bevor sie auch noch vergiftet werden, bereiten wir lieber der Truppe ein Festmahl. Sagen Sie Febrônio, er soll sie allesamt schlachten.« Der Offizier geht im Laufschritt ab, und Moreira César wendet sich anderen Untergebenen zu: »Von morgen an werden wir den Gürtel enger schnallen müssen.«
    Er verschwindet in der Hütte, die Korrespondenten gehen zur Verpflegungsbaracke. Dort trinken sie Kaffee, rauchen, tauschen Eindrücke aus und hören von den Kapellen am Berg her die Litaneien der Leute, die bei den exekutierten Gefangenen Totenwache halten. Später sehen sie, wie das Fleisch an die Soldaten verteilt wird, die das üppige Mahl genießen, lebhaft werden, Gitarre spielen, singen. Obwohl auch sie Fleisch essen und trinken, nehmen sie nicht teil an der Ausgelassenheit, die unter den Soldaten ausbricht, weil sie den Sieg nahe wähnen. Kurz darauf kommt Hauptmann Olimpio de Castro und fragt sie, ob sie in Monte Santo bleiben oder bis nach Canudos mitgehen wollen. Zwei beschließen, in Monte Santo zu bleiben, einer will nach Queimadas zurück. Den zweien, die mit dem Regiment weiterziehen wollen – der alte, verfrorene Journalist und der Kurzsichtige –, rät der Hauptmann, schlafen zu gehen: von nun an ständen Eilmärsche bevor.
    Als die zwei Journalisten am nächsten Morgen aufwachen – es dämmert, Hähne krähen –, erfahren sie, Moreira César sei wegen eines Vorfalls in der Vorhut bereits abgeritten. Drei Soldaten hätten ein Mädchen vergewaltigt. Mit einer Kompanie, in der sich auch Oberst Tamarindo befindet, brechen sie sofort auf. Als sie die Spitze des Expeditionskorps erreichen, werden die Vergewaltiger, einer neben dem andern an Bäumen festgebunden, soeben ausgepeitscht. Einer brüllt bei jedem Hieb, ein anderer scheint zu beten. Der dritte gibt sich forsch, während sein Rücken sich rötet und die Haut platzt.Sie stehen auf einer Lichtung, die von Mandacarús, Velame und Calumbís eingerahmt ist. Die Kompanien der Vorhut stehen zwischen den Büschen und sehen der Züchtigung zu. Absolute Stille herrscht unter den Männern, die den Blick nicht von den Gepeitschten wenden. Manchmal kreischt ein Papagei und eine Frau weint: ein Albinomädchen, leicht verkrüppelt, barfuß, durch deren zerfetzte Kleider blaue Flecke

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