Der Krieg am Ende der Welt
zu sehen sind. Niemand beachtet sie, und als der kurzsichtige Journalist einen Offizier fragt, ob sie die Vergewaltigte sei, nickt dieser. Moreira César steht neben Cunha Matos. Ein paar Meter weiter tummelt sich sein weißes Pferd, abgesattelt, frisch und sauber, als wäre es eben gestriegelt worden.
Als das Auspeitschen beendet ist, haben zwei der Gezüchtigten das Bewußtsein verloren, doch der andere, der Forsche, protzt noch, indem er strammsteht, als der Oberst das Wort ergreift:
»Das soll euch ein Beispiel sein, Soldaten«, schreit Moreira César. »Das Heer ist die sauberste Institution der Republik und muß es bleiben. Vom höchsten Offizier bis zum einfachen Soldaten haben wir die Pflicht, immer so zu handeln, daß die Bürger Achtung haben vor unserer Uniform: jeder Verstoß wird mit größter Strenge bestraft. Wir sind hier, um die Zivilbevölkerung zu schützen, nicht um mit den Banditen zu wetteifern. Der nächste Fall von Vergewaltigung wird mit dem Tode bestraft.«
Kein Murmeln, keine Bewegung folgt seinen Worten. Die Körper der Ohnmächtigen hängen in absurden, komischen Haltungen in den Stricken. Das Albinomädchen hat aufgehört zu weinen. Ihr Blick ist verwirrt, manchmal lächelt sie.
»Gebt dieser Unglücklichen zu essen«, sagt Moreira César, auf sie deutend. Und zu den Korrespondenten, die dazugetreten sind: »Eine arme Schwachsinnige. Ist das ein gutes Beispiel für eine Bevölkerung, die schon jetzt gegen uns eingenommen ist? Ist das nicht die beste Art, denen recht zu geben, die uns als den Antichrist bezeichnen?«
Eine Ordonnanz sattelt sein Pferd, die Lichtung hat sich mit Befehlen und Bewegungen gefüllt. Die Kompanien brechen in verschiedene Richtungen auf.
»Jetzt kommen die wichtigen Komplizen zum Vorschein«, sagtMoreira César, der die Vergewaltigung plötzlich vergessen hat. »Ja, Senhores. Wissen Sie, wer Canudos versorgt? Der Gemeindepfarrer von Cumbe, ein gewisser Pater Joaquim. Die Soutane: ein idealer Freipaß, ein Türöffner, eine Immunität! Ein katholischer Priester, Senhores!«
Seine Miene zeigt mehr Befriedigung als Zorn.
Die Zirkusleute wanderten zwischen Bromelien übers Geröll, zogen abwechselnd ihren Wagen. Das Land war ausgetrocknet, und manchmal legten sie lange Tagemärsche ohne einen Bissen Essen zurück. Von Sítio das Flores an begegneten ihnen Pilger, die nach Canudos unterwegs waren, Leute, elender als sie selbst, mit ihrer Habe auf dem Rücken und oft noch Kranke mit sich führend. Wo immer sie konnten, sagten die Bärtige, der Idiot und der Zwerg die Zukunft voraus, sangen Romanzen und machten ihre Clownerien, doch die Leute auf Wanderschaft hatten nicht viel zu geben. Da das Gerücht umging, die Landgendarmerie von Bahia halte den Weg nach Canudos gesperrt und ziehe alle Männer im kampffähigen Alter ein, nahmen sie den Umweg über Cumbe. Manchmal sahen sie Rauchfahnen, den Leuten zufolge ein Werk der Jagunços, die das Land verwüsteten, damit die Truppen des Hundes verhungerten. Auch sie konnten Opfer dieser Verwüstungen werden. Der Idiot, der sehr schwach geworden war, lachte nicht mehr und hatte die Sprache verloren.
Paarweise zogen sie den Karren. Alle fünf boten einen erbärmlichen Anblick, als hätten sie große Leiden überstanden. Der Zwerg schimpfte die Bärtige, sooft er das Zugtier machen mußte:
»Du weißt, daß es Wahnsinn ist, dahin zu gehen, und wir gehen trotzdem. Es gibt kein Essen, die Leute in Canudos sind am Verhungern. Alle, die dort waren, haben es gesagt.« Voll Wut deutete er auf Gall. »Warum hörst du auf ihn?«
Der Zwerg schwitzte und wirkte, zum Ziehen gebückt und vorgestreckt, noch kleiner. Wie alt mochte er sein? Nicht einmal er wußte es. Sein Gesicht zeigte schon Falten, die kleinen Höcker auf Rücken und Brust traten durch die Magerkeit stärker hervor. Die Bärtige sah Gall an:»Weil er ein richtiger Mann ist«, rief sie aus. »Ich habe es satt, mit Monstren zu gehen.«
Der Zwerg brach in Lachen aus.
»Und was bist du?« sagte er und krümmte sich vor Lachen.
»Ja, ich weiß schon, eine Sklavin bist du, Bärtige. Du möchtest gern wieder gehorchen, wie früher dem Zigeuner.«
Die Bärtige, die nun ebenfalls lachte, versuchte ihn zu ohrfeigen, doch der Zwerg wich ihr aus.
»Du bist eben gern eine Sklavin. Und gekauft hat er dich an dem Tag, als er dir den Schädel betastet und dir gesagt hat, du hättest eine perfekte Mutter abgegeben. Du hast ihm geglaubt, die Tränen sind dir gekommen.«
Er
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