Der Krieg am Ende der Welt
legte sich auf seinen Kopf. Mit dem Leben versöhnt, sank er in Schlaf.
Als Rufino das Herrenhaus von Calumbí im Rücken hat, fühlt er sich erleichtert: das Band zerrissen zu haben, das ihn an den Baron fesselte, gibt ihm das Gefühl, mehr Spielraum für die Verwirklichung seiner Ziele zu haben. Nach einer halben Meile nimmt er die Gastfreundschaft einer Familie an, die er seit seiner Kindheit kennt. Ohne ihn nach Jurema oder dem Grund seiner Anwesenheit in Calumbí zu fragen, erweisen sie ihm viele Gefälligkeiten. Am nächsten Morgen geben sie ihm Proviant auf den Weg mit.
Er geht den ganzen Tag. Hier und da begegnet er Pilgern, dienach Canudos unterwegs sind und die ihn um Essen bitten. So daß nachts sein Vorrat erschöpft ist. Er schläft neben einer Höhle, in die er früher oft mit anderen Kindern aus Calumbí gegangen ist, um mit Fackeln Fledermäuse zu verbrennen. Am nächsten Tag macht ihn ein Bauer darauf aufmerksam, daß eine Patrouille Soldaten durchgekommen ist und daß Jagunços die ganze Gegend durchstreifen. Mit einem dunklen Vorgefühl setzt er seine Reise fort.
Gegen Abend kommt er in die Gegend von Caracatá, eine Handvoll Häuser, zwischen Büschen und Kakteen verstreut, fern. Nach der brennenden Sonne ist der Schatten der Kajubäume und Cipós eine Wohltat. In diesem Augenblick spürt er, daß er nicht allein ist. Mehrere katzenhaft aus der Caatinga auftauchende Gestalten kreisen ihn ein. Es sind Männer, bewaffnet mit Karabinern, Armbrüsten und Macheten, alle tragen Glöckchen und Holzpfeifen. Er erkennt ein paar von Pajeús Jagunços wieder, aber der Caboclo selbst ist nicht bei ihnen. Der Barfüßige mit indianischem Einschlag, dem sie unterstehen, legt einen Finger auf die Lippen und fordert ihn mit einer Handbewegung auf, ihm zu folgen. Rufino ist unschlüssig, aber der Blick des Jagunços gibt ihm zu verstehen, er solle mitkommen, man erweise ihm einen Dienst. Sofort denkt er an Jurema und sein Gesicht verrät ihn, denn der Jagunço nickt. Zwischen Bäumen und Gestrüpp entdeckt er andere im Hinterhalt liegende Männer. Manche haben Grasmäntel an, die sie ganz bedecken. Gebückt, hockend, liegend spähen sie nach dem Weg, nach dem Dorf. Sie bedeuten Rufino, sich zu verstecken. Einen Augenblick später hört der Spurensucher ein Geräusch.
Es ist eine Patrouille von zehn Soldaten in grauen und roten Uniformen, angeführt von einem jungen blonden Leutnant. Ein Spurensucher führt sie, der, denkt Rufino, sicher ein Komplize der Jagunços ist. Als ahnte er etwas, trifft der Leutnant Vorsichtsmaßnahmen. Den Finger am Abzug des Gewehrs, springt er von Baum zu Baum, und so, hinter Stämmen Deckung suchend, rücken auch seine Männer vor. Der Spurensucher geht mitten auf dem Weg. Die Jagunços rings um Rufino scheinen sich in Luft aufgelöst zu haben. In der Caatinga bewegt sich kein Blatt.
Die Patrouille erreicht das erste Haus. Zwei Soldaten schlagendie Tür ein und gehen hinein, während die anderen sie decken. Der Spurensucher geht hinter den Soldaten in die Hocke, und Rufino bemerkt, daß er sich abzusetzen beginnt. Gleich darauf erscheinen die zwei Soldaten wieder und geben dem Leutnant durch Kopf- und Handbewegungen zu verstehen: Niemand da. Die Patrouille geht zum nächsten Haus, und der Vorgang wiederholt sich, mit dem gleichen Ergebnis. Doch in der Tür eines anderen, größeren Hauses taucht plötzlich eine zottelhaarige Frau auf, dann eine zweite, die angstvoll Ausschau halten. Als die Soldaten sie sehen und auf sie zielen, machen die Frauen Friedenszeichen und stoßen leise Schreie aus. Rufino spürt eine Benommenheit ähnlich der, vor Tagen, als die Bärtige den Namen Galileo Gall aussprach. Der Spurensucher der Patrouille nutzt die Ablenkung der Soldaten und verschwindet im Gesträuch.
Die Soldaten gehen um das Haus, und Rufino begreift, daß sie mit den Frauen sprechen. Endlich gehen zwei Uniformierte hinter ihnen hinein, während die übrigen draußen bleiben, die Gewehre im Anschlag. Wenig später kommen die zwei wieder heraus und animieren mit obszönen Gesten die anderen, es ihnen gleichzutun. Rufino hört Gelächter, Stimmen, er sieht, daß alle Soldaten begeistert auf das Haus zudrängen. Aber zwei läßt der Leutnant an der Tür.
Die Caatinga beginnt sich ringsum zu bewegen. Robbend, kriechend, aufspringend kommen die Jagunços aus dem Hinterhalt, mindestens dreißig, stellt der Spurensucher fest. Rasch läuft er ihnen nach, bis er den Chef eingeholt hat: »Ist
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