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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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das an Soldaten, Pater?« fragt der ehemalige Cangaceiro.
    »An die fünftausend sollen es sein«, stammelt das Pfäfflein.
    »Aber das sind nur die in Queimadas und Monte Santo. Von Norden, über Sergipe, kommen auch welche.« Wieder liest ermit zitternder Stimme: »›Kolonne unter dem Befehl von General Claudio do Amaral Savaget. Drei Brigaden: die Vierte, die Fünfte und die Sechste. Bestehend aus dem Zweiundzwanzigsten, Einunddreißigsten und Dreiunddreißigsten Infanteriebataillon, einer Division Artillerie und dem Vierunddreißigsten, Fünfunddreißigsten, Vierzigsten, Sechsundzwanzigsten und Zweiunddreißigsten Bataillon sowie einer weiteren Division Artillerie.‹ Das sind noch einmal an die Viertausend. Sie sind in Aracajú an Land gegangen und auf dem Weg nach Jeremoabo. Die Namen der Befehlshaber konnte Pater Maximiliano nicht erfahren. Ich habe ihm gesagt, es macht nichts. Es macht doch nichts, João?«
    »Natürlich nicht, Pater Joaquim«, sagt Joäo Abade. »Sie haben da eine gute Information bekommen. Gott wird es Ihnen vergelten.«
    »Pater Maximiliano ist ein guter Christ«, murmelt der Pfarrer.
    »Er gestand mir, er hätte große Angst gehabt, zu tun, was er getan hat. Ich sagte ihm, ich hätte noch größere.« Er lacht flüchtig auf und fügt sofort hinzu: »Er sagte, sie hätten große Probleme in Queimadas. Zu viele Münder zu ernähren. Das Transportproblem ist nicht gelöst. Sie haben keine Wagen, keine Maultiere für den riesigen Troß. Sie brauchen vielleicht noch Wochen, sagte er, ehe sie sich in Marsch setzen.«
    João Abade nickt. Keiner spricht. Alle scheinen sich auf das Summen der Fliegen und die Flugkunststücke einer Wespe zu konzentrieren, die sich schließlich auf dem Knie von João Grande niederläßt. Der Neger schnellt sie fort. Mit einemmal vermißt Joäo Abade das Geplapper des Papageis der Vilanova.
    »Er war auch bei Doktor Aguiar do Nascimento«, fügt Pater Joaquim hinzu: »Ich soll euch sagen, hat er gesagt, das einzige, was ihr tun könntet, sei, die Leute alle heimzuschicken in ihre Dörfer, bevor dieser eisengepanzerte Rammbock hier ankommt.« Er zögert, wirft einen ängstlichen Blick auf die sieben Männer, die ihn respektvoll und aufmerksam ansehen. »Wenn ihr es trotzdem mit den Soldaten aufnehmen wollt, hat er euch etwas anzubieten.«
    Er läßt den Kopf sinken, als hinderte ihn Müdigkeit oder Angst am Weitersprechen.»Hundert Gewehre Comblain und fünfundzwanzig Kisten Munition«, sagt Antônio Vilanova. »Vom Heer, unbenützt, noch in den Fabrikkisten. Über Uauá und Bendengó könnten wir sie holen, die Straße ist frei.« Er schwitzt stark und wischt sich im Sprechen die Stirn. »Aber wir haben weder Häute noch Ochsen oder Ziegen in Canudos, um ihm zu zahlen, was er verlangt.«
    »Wir haben Schmuck aus Silber und Gold«, sagt João Abade und sucht in den Augen des Kaufmanns zu lesen, was dieser gedacht oder gesagt haben mochte, bevor er kam.
    »Sie gehören der Mutter Gottes und ihrem Sohn«, murmelt Pater Joaquim fast unhörbar. »Ist das nicht ein Sakrileg?« »Der Ratgeber wird es wissen«, sagt João Abade. »Ihn muß man fragen.«
    Immer kann man noch mehr Angst haben, dachte der kurzsichtige Journalist. Das war die große Lehre dieser Tage, die ohne Stunden verliefen, mit Gestalten ohne Gesichter, glänzenden Punkten in Wolken, die seine Augen zu durchdringen versuchten, bis sie vor Anstrengung brannten und er sie schließen und eine Weile, seiner Verzweiflung überlassen, im Dunkeln bleiben mußte: die Entdeckung, wie feige er war. Was würden seine Kollegen vom Jornal de Notícias , vom Diário de Bahia , vom Republicano dazu sagen? Bei ihnen stand er in dem Ruf, tollkühn zu sein, weil er ständig hinter neuen Erfahrungen her war. Er hatte als einer der ersten an Candomblés teilgenommen, auch wenn sie in noch so finsteren Gäßchen oder Hütten abgehalten wurden, und das zu einer Zeit, als die religiösen Praktiken der Neger unter den Weißen in Bahia noch auf Abscheu und Furcht stießen. Er war ausdauernd bei Zauberern und Hexen zu Gast gewesen und hatte als einer der ersten Opium geraucht. Hatte er sich nicht aus purer Abenteuerlust erboten, nach Juazeiro zu fahren und die Überlebenden der Expedition von Leutnant Pires Ferreira zu interviewen, hatte nicht er Epaminondas Gonçalves vorgeschlagen, Moreira César zu begleiten? Es gibt auf der Welt keinen größeren Feigling als mich, dachte er. Der Zwerg erzählte noch immer die Abenteuer und

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