Der Krieg am Ende der Welt
herziehend, auf ihn zu.
»Rufino?« fragt er. »Der Spurenleser Rufino aus Queimadas?«
Der Mann wendet sich halb um, als hätte er seine Anwesenheit schon seit einer Weile bemerkt, und bittet ihn, still zu sein, scht, scht. Dabei streift er ihn mit einem schnellen Blick, und für eine Sekunde ist Überraschung in seinen dunklen Augen, vielleichtdes Akzentes wegen, mit dem der andere portugiesisch spricht, vielleicht wegen seines begräbnismäßigen Anzugs. Rufino, ein junger Mann – kräftiger, geschmeidiger Körper, das eckige Gesicht bartlos und von der Witterung gegerbt – holt die Machete aus dem Gürtel und zieht, über eine mit Blättern getarnte Falle gebückt, an einem Netz: aus der Öffnung schießt ein krächzendes Gewirr schwarzer Federn, ein Aasgeier, der nicht auffliegen kann, weil er sich mit dem Fuß im Netz verfangen hat. Enttäuschung malt sich auf dem Gesicht des Spurensuchers, der den Vogel losmacht und zusieht, wie er sich wild flatternd in der blauen Luft verliert.
»Einmal ist mir ein Jaguar von dieser Größe entgegengesprungen«, murmelt er, auf die Falle deutend. »Er war halb blind nach den vielen Stunden in der Dunkelheit.«
Galileo Gall nickt, Rufino erhebt sich und geht zwei Schritte auf ihn zu. Jetzt, wo der Moment zu sprechen gekommen ist, scheint der Ausländer zu zögern.
»Ich war erst bei dir zu Haus«, sagt er, um Zeit zu gewinnen. »Deine Frau hat mich hierher geschickt.«
Das Maultier scharrt mit den Hinterhufen, und Rufino faßt seinen Kopf und macht ihm das Maul auf. Während er mit Kennermiene die Zähne untersucht, scheint er laut nachzudenken.
»Der Bahnhofsvorsteher in Juazeiro kennt meine Bedingungen. Ich stehe zu meinem Wort, das kann Ihnen jeder in Queimadas bestätigen. Die Arbeit ist schwer.«
Da Galileo Gall ihm nicht antwortet, wendet er den Kopf, um ihn anzusehen.
»Sind Sie nicht von der Eisenbahn?« fragt er, langsam sprechend, denn er hat begriffen, daß es dem Fremden schwerfällt, ihn zu verstehen.
Galileo Gall schiebt seinen Hut aus der Stirn. Mit dem Kinn auf das ringsum öde Hügelland deutend, sagt er leise: »Ich möchte nach Canudos.« Er macht eine Pause, blinzelt, wie um die Erregung seiner Pupillen zu verbergen, und fügt hinzu: »Ich weiß, daß du oft dort warst.«
Rufino ist sehr ernst. Seine forschenden Augen sind mit einem Mißtrauen auf ihn gerichtet, das er nicht einmal zu verbergen sucht.»Ich bin nach Canudos gegangen, als es noch eine Vieh-Fazenda war«, sagt er vorsichtig abwartend. »Seit Baron de Canabrava weggegangen ist, war ich nicht mehr dort.« »Der Weg ist immer noch derselbe«, erwidert Galileo Gall. Sie stehen sich ganz nahe gegenüber, beobachten sich. Die Spannung zwischen ihnen scheint sich auf das Maultier zu übertragen, das plötzlich den Kopf wirft und anfängt zurückzuweichen.
»Schickt Sie Baron de Canabrava?« fragt Rufino, während er dem Tier beruhigend den Hals klopft.
Galileo Gall schüttelt den Kopf, und der Spurenleser insistiert nicht. Er schiebt die Hand unter einen der hinteren Riemen des Maultiers, das dadurch gezwungen wird, den Hinterfuß zu heben, und bückt sich, um den Huf zu untersuchen:
»In Canudos geht allerhand vor«, murmelt er. »Die Leute, die die Fazenda des Barons besetzt halten, haben in Uauá Soldaten der Guarda Nacional angegriffen. Sie sollen mehrere getötet haben, heißt es.«
»Hast du Angst, daß sie dich auch umbringen?« brummt Galileo Gall lächelnd. »Bist du ein Soldat?«
Rufino hat endlich gefunden, was er im Huf gesucht hat: einen Dorn vielleicht, oder ein Steinchen, das in seinen großen plumpen Händen verschwindet. Er wirft es weg und läßt das Tier los.
»Angst, überhaupt nicht«, erwidert er sanft, mit einem Anflug von Lächeln. »Nach Canudos ist es weit.«
»Ich zahle dir, was billig ist.« Galileo atmet tief; er ist erhitzt, er nimmt den Hut ab und schüttelt sein lockiges rötliches Haar.
»In einer Woche brechen wir auf, spätestens in zehn Tagen. Noch eins: die Sache muß unter uns bleiben.«
Der Spurenleser blickt ihn an, ohne sich zu bewegen, ohne eine Frage.
»Wegen des Vorfalls in Uauá«, fügt Galileo Gall hinzu und fährt sich mit der Zunge über die Lippen. »Niemand darf wissen, daß wir nach Canudos gehen.«
Rufino deutet auf die einsame, aus Lehm und Latten gebaute Hütte auf dem Felsvorsprung, die im Licht halb verschwimmt. »Kommen Sie mit in mein Haus, wir wollen das Geschäft besprechen«, sagt er.Sie gehen, gefolgt von dem
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