Der Krieg am Ende der Welt
rot-blaue Mützen, ist das Aufblitzen von Bajonetten zu sehen. Hinter den Felsen verschanzt, versuchen die Soldaten, ihren Standort auszumachen. Er hört Geräusche von Waffen, von Männern, von Tieren, dazwischen Flüche. Plötzlich prescht ein Peloton Reiter die Straße daher, voran ein Offizier, der mit dem Säbel in die Caatinga deutet. Pajeú sieht, wie er seinen nervösen, tänzelnden Fuchs grausam spornt. Keiner der Reiter stürzt; trotz des Kugelregens erreichen alle den Fuß des Abhangs. Aber alle fallen, von Schüssen durchsiebt, sobald sie in die Caatinga hineinreiten. Der Offizier mit dem Säbel, von mehreren Schüssen getroffen, brüllt: »Zeigt euch, Feiglinge!« Zeigen sollen wir uns, damit sie uns töten können? denkt Pajeú.Das nennen die Atheisten Tapferkeit? Merkwürdige Art zu denken. Der Teufel ist nicht nur böse, er ist auch dumm. Er lädt das heißgeschossene Gewehr. Soldaten füllen die Straße, andere kommen über die Felsen gelaufen. Während er zielt, immer mit Ruhe, überschlägt Pajeú, daß es mindestens hundert sein müssen, vielleicht hundertfünfzig.
Aus den Augenwinkeln sieht er einen Jagunço, der Mann gegen Mann mit einem Soldaten kämpft, und fragt sich, wie dieser bis hierher gekommen ist. Er nimmt das Jagdmesser zwischen die Zähne, eine Gewohnheit aus Räuberzeiten. Die Narbe meldet sich wieder, und sehr nahe, sehr deutlich hört er: »Es lebe die Republik!« »Es lebe Marschall Floriano!« »Nieder mit England!« Die Jagunços antworten: »Nieder mit dem Antichrist!« »Es lebe der Ratgeber!« »Es lebe Belo Monte!«
»Wir können hier nicht bleiben, Pajeú«, sagt Taramela zu ihm. Über die Straße kommt jetzt eine kompakte Masse von Soldaten, Ochsenwagen, eine Kanone, Reiter. Zwei Kompanien, die gegen die Caatinga Front machen, geben ihr Flankenschutz. Sie springen vorwärts, schießen, stechen mit den Bajonetten in die Büsche, in der Hoffnung, den unsichtbaren Feind zu treffen. »Entweder gehen wir jetzt oder nie, Pajeú«, wiederholt Taramela, aber seine Stimme klingt nicht ängstlich. Pajeú will die Gewißheit haben, daß die Soldaten wirklich in Richtung Pitombas gehen. Ja, kein Zweifel, der Strom der Uniformen wälzt sich ohne Zögern nach Norden. Außer denen, die die Caatinga durchkämmen, zweigt niemand nach Westen ab. Er verschießt seine letzten Kugeln, ehe er das Jagdmesser aus dem Mund nimmt und mit aller Kraft in die Holzpfeife bläst. Sofort tauchen da und dort Jagunços auf, gebückt, kriechend, laufend, von Deckung zu Deckung springend, um sich eilig nach hinten zu entfernen. Wir haben nicht einen Mann verloren, denkt er verwundert. Er bläst noch einmal in die Pfeife und tritt, gefolgt von Taramela, ebenfalls den Rückzug an. Haben sie lange gebraucht? Er läuft nicht geradeaus, sondern in einer mit Haken, Vorstößen und Rückzügen vielfach gebrochenen Linie, um dem Feind das Zielen zu erschweren; rechts und links sieht er Soldaten, die das Gewehr anlegen oder mit gezücktem Bajonett Jagunços verfolgen. Während er in die Caatinga hineinrennt, so schnell ihn die Füßetragen, denkt er wieder an die Frau und die zwei, die sich ihretwegen umgebracht haben: Ist sie eine von denen, die Unglück bringen?
Er fühlt sich erschöpft, das Herz am Zerspringen. Auch Taramela keucht. Es ist gut, diesen treuen Gefährten hier zu haben, den Freund aus so vielen Jahren, mit dem er nie auch nur einen Wortwechsel gehabt hat. Da kommen ihnen vier Uniformen, vier Flinten entgegen. »Deckung, Deckung!« ruft er. Er wirft sich zu Boden, und während er wegrollt, hört er, daß mindestens zwei schießen. Als er sich hocken kann, hat er das Gewehr schon im Anschlag auf die Soldaten, die ihm entgegenlaufen. Aber die Mannlicher klemmt: der Abzug klickt, doch es erfolgt keine Zündung. Er hört einen Schuß, und einer der Protestanten fällt, die Hände vor dem Leib. Ja, Taramela, du bist mein Glücksbringer, denkt er, während er sich, das Gewehr als Knüppel schwingend, auf die drei Soldaten stürzt, die beim Anblick ihres verwundeten Kameraden einen Augenblick stutzen. Er trifft einen und bringt ihn zu Fall, aber die beiden anderen werfen sich auf ihn. Er spürt ein Brennen, einen Stich. Plötzlich quillt Blut aus dem Gesicht des einen, er hört ihn aufbrüllen. Und da ist Taramela, der sich wie ein Katapult auf den Soldaten gestürzt hat. Der Feind, der ihm selbst bleibt, ist kein Gegner für Pajeú: ein junger Kerl, er schwitzt, die Uniform schnürt ihn ein, daß er
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