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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Zirkusleute oder diesen Tolpatsch, der eben wieder einmal über die eigenen Füße stolperte.
    In bestimmten Abständen trafen sie auf bewaffnete Gruppen der Katholischen Wachmannschaft; sie hielten an, verteilten Maisbrei, Obst, Zuckerkruste, Dörrfleisch und Munition. Zuweilen kamen Boten angelaufen und blieben stehen, um mit Antônio Vilanova zu sprechen. Wenn sie fort waren, wurde getuschelt. Das Thema war immer das gleiche: der Krieg, die anmarschierenden Hunde. Sie begriff schließlich, daß es zwei Heere waren, von denen eines über Queimadas und Monte Santo, das andere über Sergipe und Jeremoabo anrückte. Hunderte von Jagunços waren in den vergangenen Tagen in beide Richtungen abgezogen, und jeden Abend zur Stunde des Rats, zu der Jurema immer pünktlich erschien, ermahnte der Ratgeber alle, für sie zu beten. Sie hatte gesehen, welcheUnruhe die Nähe eines neuen Krieges hervorrief. Ihr fiel nur ein, daß dank diesem Krieg dieser nicht mehr junge, stämmige Caboclo mit der Narbe und den kleinen Augen, die sie erschreckten, fortgezogen war und so bald wohl nicht wiederkehren würde.
    Bei Einbruch der Dunkelheit erreichte der Zug Trabubú. Sie gaben den in den Felsen verschanzten Jagunços zu essen, und drei Frauen blieben bei ihnen zurück. Dann befahl Antônio Vilanova, sie sollten weitergehen bis Cocorobó. Das letzte Stück legten sie im Dunkeln zurück. Jurema gab dem Kurzsichtigen die Hand. Trotz ihrer Hilfe strauchelte er so oft, daß Antônio Vilanova ihn auf ein mit Mais beladenes Maultier aufsitzen ließ. Als sie den Hohlweg von Cocorobó betraten, kam ihnen Pedrão entgegen. Es war ein riesenhafter Mann, fast so groß wie João Grande, ein hellhäutiger, schon betagter Mulatte, mit einer Muskete über der Schulter, die er nicht einmal zum Schlafen ablegte. Er ging barfuß, mit einer knöchellangen Hose und einer Weste bekleidet, die seine muskulösen Arme freiließ. Er hatte einen kugelförmigen Bauch, den er sich beim Sprechen kratzte. Jurema betrachtete ihn voll Scheu, wegen all der Geschichten, die man sich über sein Leben in Várzea da Ema erzählte, wo er mit diesen roh aussehenden Männern, seinen Begleitern, die ihm nie von der Seite wichen, große Untaten begangen hatte. Sie fühlte, daß der Umgang mit Leuten wie Pedrão, João Abade oder Pajeú, sie mochten noch so heilig geworden sein, genauso unsicher war wie der mit einem Luchs, einer Kobra oder einer Tarantel, die aus einem dunklen Instinkt heraus jeden Augenblick zuschlagen, beißen oder stechen konnten.
    Jetzt wirkte Pedrão harmlos, aufgelöst in die dunkle Nacht, im Gespräch mit Antônio und später auch Honório Vilanova, der wie ein Gespenst aus den Felsen aufgetaucht war. Mit ihm kamen zahlreiche Gestalten übers Gestein herunter, um den Trägern die Lasten abzunehmen. Jurema half die Glutpfannen anzünden. Die Männer öffneten Munitionskisten, Pulversäcke, verteilten Lunten. Sie und die übrigen Frauen begannen zu kochen. Die Jagunços waren so hungrig, daß sie es kaum erwarten konnten, bis es in den Töpfen kochte.
    Sie arbeitete die ganze Nacht. Ein ums andere Mal stellte sie dieTontöpfe aufs Feuer, briet Fleisch, wärmte die Bohnen auf. Die Männer, die dicht gedrängt um die Frauen standen, schienen ein und derselbe, vervielfältigt. Sie kamen zu zehnt, zu fünfzehnt. Wenn einer unter den Köchinnen seine Frau erkannte, nahm er sie am Arm und zog sie beiseite, um mit ihr zu reden. Warum war Rufino nie auf den Gedanken gekommen, nach Canudos zu gehen wie so viele andere Sertanejos? Hätten sie es getan, wäre er noch am Leben.
    Es donnerte. Doch die Luft war trocken, ein Vorzeichen von Regen konnte es nicht sein. Sie begriff, daß dieses Donnern ein Kanonenschuß war. Pedrão und die Vilanova ließen die Feuer löschen und schickten die Leute, die beim Essen waren, zurück auf die Höhen. Sie selbst blieben und besprachen sich. Pedrão sagte, die Soldaten stünden vor Canche; so schnell kämen sie nicht. Nachts rückten sie nicht vor, er sei ihnen von Simão Dias an nachgegangen, er kenne ihre Gewohnheiten. Sobald es dunkle, stellten sie ihre Baracken und Wachtposten auf bis zum nächsten Tag. In der Frühe, ehe sie aufbrächen, schössen sie in die Luft. Das sei vermutlich dieser Kanonenschuß, sie würden jetzt von Canche aufbrechen.
    »Sind es viele?« unterbrach ihn eine Stimme vom Boden her, die sich wie das Krächzen eines Vogels anhörte. »Wie viele sind es?«
    Jurema sah, wie er sich hochrappelte, sah ihn

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