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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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er, ohne zu überlegen, statt sein Schlafzimmer aufzusuchen, den Raum an, in dem die Baronin schlief und den nur eine Stellwand von dem Hinterzimmer trennte, das Sebastiana bezogen hatte, um Estela nahe zu sein, wenn sie nachts nach ihr verlangte.
    Als er die Hand nach der Klinke ausstreckte, fiel ihm ein, die Tür könnte verriegelt sein. Nie hatte er diesen Raum betreten, ohne sich anzumelden. Nein, sie war nicht abgesperrt. Er schloß die Tür hinter sich, suchte den Riegel und schob ihn vor. Von der Schwelle aus sah er das gelbe Licht einer Nachttischlampe, ein Docht, schwimmend in einer Schale Öl –, die Teile vom Bett der Baronin beleuchtete: die blaue Steppdecke, den Betthimmel, die Gazevorhänge. Da, wo er stand, geräuschlos und ohne daß ihm die Hände zitterten, zog der Baronsich aus. Als er nackt war, ging er auf Fußspitzen in Sebastianas Hinterzimmer.
    Er erreichte den Bettrand, ohne sie aufzuwecken. In der schwachen Helligkeit – dem Schein der Gaslampe auf der Straße, der blau durch die Vorhänge fiel – konnte der Baron die Formen der Schlafenden sehen, die, auf der Seite liegend, den Kopf auf einem runden Kissen, die Laken hob und Falten werfen ließ. Das lange schwarze Haar hing seitlich am Bett herab bis auf den Boden. Er dachte, daß er Sebastiana nie stehend mit offenem Haar gesehen hatte, das ihr sicher bis an die Fersen reichte, und daß sie sich bestimmt, vorm Spiegel oder vor Estela, schon einmal spielerisch in diese lange Mähne wie in einen seidigen Mantel gehüllt hatte, und dieses Bild begann einen eingeschlafenen Instinkt in ihm zu wecken. Er griff an seinen Bauch und befühlte sein Geschlecht: es war schlaff, aber an seiner lauen Wärme, an der Sanftheit, Schnelligkeit und sozusagen Freude, mit der es sich freilegen ließ und die Eichel sich von der Vorhaut löste und aus ihr hervortrat, fühlte er, daß hier ein tiefes Leben danach verlangte, heraufzitiert, neu belebt und verströmt zu werden. Alles, was er unterwegs zu diesem Bett gefürchtet hatte – wie würde die Kammerfrau reagieren? und wie Estela, wenn Sebastiana aufwachte und schrie? – verschwand augenblicklich, und unvermutet, wie durch Halluzination, erschien ihm das Gesicht Galileo Galls und erinnerte ihn an das Keuschheitsgelübde, das der Revolutionär abgelegt hatte, um Energien für die seiner Ansicht nach höheren Werte – die Aktion, die Wissenschaft – zu sammeln. Ich war genauso dumm wie er, dachte er. Ein ähnliches Gelübde hatte er lange Zeit eingehalten, ohne es abgelegt zu haben: um dieser schmählichen Fron willen, die Unglück gebracht hatte über das Wesen, das er auf der Welt am meisten liebte, hatte er auf die Lust, auf das Glück verzichtet.
    Ohne nachzudenken, mechanisch, bückte er sich, bis er auf dem Bettrand saß, während er gleichzeitig beide Hände bewegte : eine, um das Laken wegzuschieben, das Sebastiana bedeckte; die andere legte er ihr auf den Mund, um den Schrei zu ersticken. Die Frau zog sich zusammen, lag starr, schlug die Augen auf, und an seine Nase drang ein warmer Dunsthauch, die Intimität von Sebastianas Körper, dem er nie so nahegewesen war, und er fühlte, daß sich sofort sein Glied regte und benahm, als würde ihm bewußt, daß auch seine Testikel existierten, daß sie da, zwischen seinen Beinen, zu neuem Leben erwachten. Es war Sebastiana nicht gelungen zu schreien, sich aufzurichten, nur ein gedämpfter Ausruf entrang sich ihr und wehte den warmen Hauch ihres Atems an die Handfläche, die der Baron einen Millimeter über ihrem Mund hielt. »Schrei nicht, es ist besser, du schreist nicht«, flüsterte er und fühlte, daß seine Stimme nicht fest war, aber nicht aus Unsicherheit zitterte, sondern vor Begehren. »Ich bitte dich, schrei nicht.«
    Mit der Hand, die das Laken weggeschoben hatte, streichelte er nun über dem bis zum Hals geschlossenen Hemd die Brüste der Kammerfrau: sie waren groß, gut geformt und ungewöhnlich fest für eine Frau, die nahe an den Vierzig sein mußte; er fühlte, wie sie sich, von Kälte angegriffen, unter seinen Fingerspitzen aufrichteten. Mit der ganzen Zartheit, deren er fähig war, strich ihr der Baron über den Nasenrücken, die Lippen, die Augenbrauen, senkte die Finger schließlich in das üppige Haar und umwickelte sie sanft mit Strähnen. Dabei versuchte er durch Lächeln die panische Angst zu beschwichtigen, die er in dem ungläubigen, erschrockenen Blick der Frau wahrnahm.
    »Ich hätte es längst tun sollen, Sebastiana«, sagte

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