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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Brigade den Sturmangriff übernahm, und daß Oberst Madeiros seine Kaffeetasse auf dem Boden zerschmettert hätte, als er erfuhr, die Zweite Brigade von Oberst Gouveiahabe die Schützengräben am Friedhof eingenommen. Und am Abend, erzählte man sich, als der Generalstab angesichts hoher Verluste und erbitterten Widerstandes den Sturm abbrach, hätte Oberst Madeiros Schnaps getrunken, als gäbe es etwas zu feiern.
    Als der Soldat Queluz die Baracke von Oberst Madeiros betritt, fällt ihm das alles wieder ein. Das Gesicht des Chefs der Ersten Brigade scheint vor Wut zu platzen. Er erwartet ihn nicht an der Tür, um ihn zu beglückwünschen, wie er sich das gedacht hatte. Er sitzt auf einem Klappstuhl und speit Gift und Galle. Gegen wen wettert er so? Gegen Pajeú. Zwischen den Schultern und Köpfen der Offiziere sieht Queluz auf dem Boden, zu Füßen des Oberst, das fahlgelbe, von der granatroten Narbe geteilte Gesicht. Er ist nicht tot, er hat die Augen offen, und Queluz, den niemand beachtet, der gar nicht mehr weiß, weshalb man ihn gerufen hat, und am liebsten wieder ginge, sagt sich, daß diese kindische Wut des Oberst von der abwesenden, verächtlichen Miene kommen muß, mit der Pajeú ihn ansieht. Aber das ist es nicht, sondern der Angriff auf das Lager: es hat achtzehn Tote gegeben.
    »Achtzehn! Achtzehn!« kaut Oberst Madeiros, als hätte er eine Kandare im Mund. »Und dreißig Verwundete. Zu uns, die wir den ganzen Tag hier liegen und uns die Eier kratzen, während die Zweite Brigade kämpft, ausgerechnet zu uns kommst du mit deinem Gesindel und bringst uns größere Verluste bei als ihnen.«
    Gleich wird er weinen, denkt Queluz. Voll Angst stellt er sich vor, der Oberst würde nachforschen, ob er geschlafen und die Banditen durchgelassen hat, ohne Alarm zu schlagen. Der Chef der Ersten Brigade springt vom Stuhl auf und beginnt mit den Füßen zu schlagen, zu treten und mit den Absätzen zu hacken. Schultern und Köpfe verdecken Queluz, was auf dem Boden geschieht. Aber Sekunden später sieht er es wieder: die knallrote Narbe ist gewachsen, sie bedeckt das ganze Gesicht des Banditen, diese formlose, ausdruckslose Masse aus Schmutz und Blut. Aber er hat die Augen noch offen, und in ihnen ist immer noch diese seltsame, beleidigende Gleichgültigkeit. Blutiger Speichel quillt aus seinen Lippen. Queluz sieht Oberst Madeiros einen Säbel ergreifen und ist sich sicher, daßer Pajeú erledigen wird. Aber er setzt ihm nur die Spitze an den Hals. In der Baracke herrscht absolute Stille, und die hieratische Feierlichkeit überträgt sich auch auf Queluz. Endlich beruhigt sich Oberst Madeiros. Er setzt sich wieder auf den Klappstuhl und wirft den Säbel auf das Feldbett.
    »Dich zu töten wäre eine Vergünstigung«, kollert er erbittert, wütend. »Du hast dein Land verraten, deine Landsleute umgebracht, du hast geraubt, geplündert, alle Verbrechen hast du begangen. Keine Strafe reicht aus für das, was du getan hast.«
    Er lacht, wundert sich Queluz. Ja, der ehemalige Cangaceiro lacht. Seine Stirn, der kleine Höcker, der ihm von seiner Nase geblieben ist, sind gekraust, der Mund ist halb geöffnet, seine Schlitzaugen funkeln, und dabei gibt er einen Laut von sich, der, kein Zweifel, ein Lachen ist.
    »Du findest wohl lustig, was ich sage«, greifert Oberst Madeiros. Aber gleich darauf ändert er den Ton, denn Pajeús Gesicht ist starr geworden. »Untersuchen Sie ihn, Doktor.«
    Hauptmann Bernardo da Ponte Sanhueza kniet nieder, legt das Ohr an die Brust des Räubers, beobachtet seine Augen, fühlt ihm den Puls.
    »Er ist tot, Exzellenz«, hört ihn Queluz sagen.
    Oberst Madeiros hüllt sich in Schweigen.
    »Sein Körper ist das reinste Sieb«, fügt der Arzt hinzu. »Ein Wunder, daß er mit dem vielen Blei im Leib so lange gelebt hat.«
    Jetzt, denkt der Soldat Queluz, jetzt bin ich dran. Oberst Madeiros’ kleine blaugrüne, durchdringende Augen werden ihn suchen unter den Offizieren, werden ihn finden, und er wird die gefürchtete Frage hören: »Warum hast du den Warnschuß nicht abgegeben?« Er wird lügen, bei Gott und seiner Mutter wird er schwören, daß er geschossen hat und gerufen hat. Aber Sekunden vergehen und Oberst Madeiros sitzt immer noch auf dem Klappstuhl und betrachtet die Leiche des Banditen, der sterbend über ihn gelacht hat.
    »Da ist Queluz, Exzellenz«, hört er Hauptmann Oliveira sagen.
    Jetzt, jetzt. Die Offiziere gehen auseinander, damit er vor den Chef der Ersten Brigade treten kann.

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