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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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überraschte sie abends ein Trupp Männer in unverkennbarer Aufmachung: Lederhüte, Patronentaschen aus Leopardenfell, mit Glasperlen bestickte Schnappsäcke, Stutzen über der Schulter, Macheten, die ihnen bis ans Knie hingen. Es waren sechs und ihr Chef, ein kraushaariger Zambo. Lachend fragte er João, der ihn kniefällig bat, er möge ihn mitnehmen, warum er Cangaceiro werden wollte. »Um Polizisten zu töten«, entgegnete der Knabe.
    Nun begann für João ein Leben, das ihn in kürzester Zeit zum Mann machte. »Zum gottlosen Mann«, sagten später die Leute in den Provinzen, die er in den folgenden zwanzig Jahren durchzog, zuerst als Anhängsel des Trupps, dem er die Kleider wusch, die Mahlzeiten bereitete, die Knöpfe annähte und die Läuse fing, dann als Spießgeselle bei Überfällen, darauf als der beste Schütze, Spurenleser, Messerstecher, Fußgänger und Stratege der Gruppe und zuletzt als Stellvertreter und Chef der Bande. Er war noch keine fünfundzwanzig Jahre alt, da war auf seinen Kopf der höchste Preis ausgesetzt, der in den Garnisonen von Bahia, Pernambuco, Piauí und Ceará gezahlt wurde. Wegen des unerhörten Glücks, das ihn aus Hinterhalten errettete, bei denen seine Kameraden fielen oder gefangengenommen wurden, und das ihn trotz seiner Verwegenheit im Kampf gegen Kugeln unverwundbar zu machen schien, kam das Gerücht auf, er treibe es mit dem Teufel. Fest stand, daß im Unterschied zu anderen Männern der Räubergilde, die haufenweise Medaillen trugen, sich vor allen Kreuzen und Kalvarienbergen bekreuzigten und wenigstens einmal im Jahr in irgendein Dorf schlichen, damit der Pfarrer sie mit Gott versöhne, João (der zuerst der kleine João, dann der schnelle João, dann João Polizistentod und zuletzt João Satanás hieß) die Religion zu verachten und bereit zu sein schien, in die Hölle zu gehen, um seine unaufwiegbare Schuld zu büßen.Das Leben des Banditen, hätte der Neffe von Zé Faustino und Dona Angela sagen können, war Gehen, Kämpfen, Stehlen. Aber vor allem Gehen. Wie viele hundert Meilen hatten die kräftigen, muskulösen, unbezwingbaren Beine dieses Mannes in diesen Jahren zurückgelegt, der am Tag zwanzig Stunden gehen konnte, ohne müde zu werden? In allen Richtungen hatten sie die Sertöes durchlaufen, niemand kannte besser als sie die Falten der Berge, das Dickicht des Buschs, die Mäander der Flüsse und die Höhlen in den Serras. Dieses Gehen ohne festes Ziel, im Gänsemarsch, querfeldein, in dem Versuch, wirkliche oder eingebildete Verfolger abzuschütteln oder sie zu täuschen, war im Gedächtnis Joãos eine einzige endlose Wanderschaft durch immer gleiche, manchmal von Schüssen oder den Schreien Verwundeter aufgeschreckte Landschaften auf etwas, einen Ort oder ein dunkles Ereignis zu, das ihn zu erwarten schien.
    Lange Zeit glaubte er, das ihn Erwartende sei, nach Custodia zurückzukehren und die Rache zu vollstrecken. Jahre nach dem Tod seines Onkels und seiner Tante zog er in einer mondhellen Nacht an der Spitze von einem Dutzend Männern geräuschlos in das Dorf seiner Kindheit ein. War dies das Ziel seiner blutigen Wanderschaft? Die Dürre hatte viele Familien aus Custodia vertrieben, aber es gab noch bewohnte Hütten, und obwohl João unter den verschlafenen Gesichtern der Leute, die seine Männer auf der Gasse zusammentrieben, einige sah, an die er sich nicht erinnern konnte, erließ er keinem die Strafe. Die Frauen, junge wie alte, wurden gezwungen, mit den Cangaceiros zu tanzen, die vorher den ganzen Schnaps von Custodia getrunken hatten. Die Männer mußten dazu singen und Gitarre spielen. Von Zeit zu Zeit wurde eine Frau in die nächste Hütte gezerrt und vergewaltigt. Zuletzt brach einer der Dorfbewohner aus Ohnmacht oder aus Schrecken in Weinen aus. Auf der Stelle stieß ihm João Satanás das Jagdmesser in den Leib und schlitzte ihn der Länge nach auf wie ein Metzger, der eine Kuh schlachtet. Das hervorschießende Blut kam einem Befehl gleich, und im Nu begannen die bis zur Raserei erregten Cangaceiros ihre Stutzen abzuschießen, bis sie die einzige Straße von Custodia in einen Friedhof verwandelt hatten. Mehr noch als das Blutbad trug der Umstand zur Legende um JoãoSatanás bei, daß er alle männlichen Toten geschändet, ihnen eigenhändig die Geschlechtsteile abgeschnitten und ihnen in den Mund gesteckt hatte (was er sonst nur mit Polizeispitzeln tat). Ehe er aus Custodia abzog, bat er einen der Männer seiner Bande, folgende Inschrift auf eine

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